© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

„Krieg zwischen den Weißen“
Was steckt tatsächlich hinter den Ausschreitungen in den USA? Der US-Politologe Paul Gottfried sieht Schwarze als Opfer – der Linken
Moritz Schwarz

Herr Professor Gottfried, ist Trumps geplantes Antifa-Verbot überhaupt berechtigt?

Paul Gottfried: Die terroristische Ausrichtung der Antifa ist eindeutig. Denn sie ist nicht nur bereit, Gewalt auszuüben, um politische Inhalte durchzusetzen, sondern auch, um andere in Angst zu versetzen, damit sie sich nicht mehr trauen, sich politisch zu artikulieren. 

Und ist es realistisch? 

Gottfried: Es ist sehr die Frage, ob er das ohne die Billigung des Kongresses wird durchsetzen können. Denn er muß mit dem Widerstand der Demokraten dort rechnen.

Warum, wenn die terroristische Ausrichtung der Antifa, wie Sie sagen, offensichtlich ist?

Gottfried: Zum einen, weil ein Teil der Wählerschaft der Demokraten der Antifa zugeneigt ist. Zum anderen, weil man dabei bei vielen Medien gut ankommt. 

Die US-Medien sind einer gewalttätigen Bewegung zugetan? 

Gottfried: Ja, das ist ähnlich wie bei Ihnen in Deutschland, wo die Medien ja auch so gut wie nicht kritisch über die Antifa berichten. Sicher, einzelne Gewalttaten werden kritisiert – aber die Antifa an sich? Nein! Nehmen Sie etwa die zu trauriger Berühmtheit gelangten Auseinandersetzungen in Charlottsville 2017: Man hört immer nur von den Neonazis dort – aber nie von der Antifa, die auch dort mitgemischt hat.  

Warum hat man vor Trumps Amtsantritt von einer US-Antifa gar nichts gewußt?

Gottfried: Ich habe dazu gerade mein neues Buch fertiggestellt „Antifacism. The Course of a Crusade“, das eigentlich schon hätte erscheinen sollen, aber wegen Corona nun verzögert ist. Darin schildere ich unter anderem die Anfänge in der sogenannten antifaschistischen Bewegung der sechziger Jahre. Der Grund, warum die breite Öffentlichkeit, oder Sie in Deutschland, erst mit Trump davon erfahren haben, ist der,  daß sich die Antifa zuvor nicht explizit gegen einen Präsidenten gerichtet hat. Natürlich erst recht nicht gegen Obama, den die Linke ja geliebt hat, aber auch nicht etwa gegen George W. Bush, sondern mehr mit ihren Gegnern von der extremen Rechten beschäftigt war. Anders bei Trump, der von ihr zu einem Hauptfeind erklärt wurde, weil er ihnen als Präsident ihrer Feinde gilt.     

Allerdings werden die Ausschreitungen in den USA doch gar nicht von der Antifa getragen. Ist Trumps Kaprizieren auf diese also vielleicht eine Art Ablenkungsmanöver? 

Gottfried: Es stimmt, sie ist nicht das Hauptproblem und hat zahlenmäßig nur einen kleinen Anteil an den Unruhen. Aber sie spielen als Anstifter der Krawalle teilweise schon eine Hauptrolle.

Worum geht es denn bei den Krawallen tatsächlich? 

Gottfried: Dahinter steht in der Tat die Rassenfrage in den USA, wobei die Sache komplizierter ist, als in den Medien oft dargestellt. 

Inwiefern? 

Gottfried: Der Rassismus spielt tatsächlich gar keine so große Rolle dabei. Sondern es geht vor allem um die Ausrichtung eines erheblichen Teils der weißen Elite als Linke und „Antifaschisten“, die immer wieder ein Rassismus-Problem in den Mittelpunkt stellt, das so gar nicht existiert. 

Es gibt keinen Rassismus in den USA? 

Gottfried: Was ich meine ist erstens, daß „Rassismus“ in den USA so etwas ist wie in Europa der Vorwurf der Islamophobie oder Fremdenfeindlichkeit – ein Mittel, um andere Weiße einzuschüchtern sowie um Schwarze – in Europa analog moslemische Einwanderer – aufzuwiegeln und den Rassismus und Haß gegen Weiße anzustacheln. Dies ist in der Tat das Hauptproblem! Auch weil es unter den Weißen eine massive Angst davor gibt, dagegen Widerstand zu leisten – aus Furcht, dann als „Rassist“ gebrandmarkt zu werden. 

Was wollen Sie damit sagen: Im Grunde ist es ein Konflikt zwischen Weißen und die Schwarzen sind nur Schachfiguren? Eben sagten Sie doch noch selbst: „Dahinter steht in derTat die Rassenfrage.“ 

Gottfried: Ja, allerdings in dem Sinne, daß tatsächlich die Schwarzen regelrecht in eine Auseinandersetzung, ja in eine Art Krieg, zwischen Weißen hineingezogen werden – in der Tat meist, ohne es zu merken. 

Haben Sie dafür Belege? 

Gottfried: Die Daten, etwa die Zahl der Gewaltdelikte zwischen den Rassen, belegen den behaupteten Rassismus gar nicht. Vor allem die andere Seite müßte endlich einmal Zahlen vorlegen, die diesen Rassismus belegen.

Aber Rassismus gegen Schwarze ist doch keine Einbildung?

Gottfried: Nein, natürlich gibt es den auch. Aber er ist so geächtet, daß er, wenn, in der Mitte der Gesellschaft nur „unter der Hand“ artikuliert werden kann. Und er definitiv kein Hauptproblem der US-Gesellschaft mehr ist. 

War der mutmaßliche Mord an Herrn Floyd ein rassistischer Akt?

Gittfried: Das kann sein, kann aber auch nicht sein. Wir müssen abwarten, was die Ermittlungen ergeben. Hatte der Täter ein rassistisches Motiv? Es heißt, er soll vor Jahren schon wegen psychischer Erkrankung aufgefallen sein. Derzeit ist nichts auszuschließen. 






Prof. Dr. Paul Gottfried, der Historiker und Politologe lehrte am Eliza­bethtown College in Pennsylvania und ist Experte für den US-Konservatismus. Auf deutsch ist sein Buch „Multikulturalismus und die Politik der Schuld“ erhältlich. Seine Familie flüchtete 1938 in die USA. 1941 wurde er in New York geboren. 

 

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