© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Wir wollen unsern jungen Kaiser Wilhelm …
Paul Leonhard

In Münster wird an der WWU studiert. Das Kürzel verbirgt den Namen Westfälische Wilhelms-Universität. Aber welcher Wilhelm ist gemeint? Das fragt scheinheilig der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) auf seiner Facebookseite, auch um auf den selbst verlegten „Reader Wilhelm II.“ aufmerksam zu machen. Die Antwort liefert er gleich mit: „Schon mal soviel vorab: Wilhelm II. war ein Antisemit, Rassist, Imperialist und Kriegstreiber und sollte daher nicht Namensgeber einer weltoffenen und bunten Uni sein.“

Genau diese Einschätzung steht aber nicht in der 72seitigen Handreichung, die Frauke Berghorn und Laura Hagen von der Projektstelle „Historische Aufarbeitung des Universitätsnamens“ 2016 erarbeitet haben. Der Deutsche Kaiser und König von Preußen wird darin als eine widersprüchliche Persönlichkeit beschrieben, mit einer Affinität für Fortschritt und Technik, dessen Amtsantritt vom Volk mit großer Hoffnung begleitet wurde.

Deutlicher gegen den Namenspatron gerichtet ist die Stellungnahme einer von der Universität eingesetzten Kommission unter der Leitung des Historikers Olaf Blaschke, nach deren Ansicht kein Zweifel daran bestehe, daß Wilhelm II. (1859–1941) „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch“ gewesen sei. 

Der Senat hat jetzt beschlossen, daß man sich bis 2022 kritisch mit dem Stifter – Wilhelm II. hatte die Akademie 1902 wieder in den Stand einer Universität erhoben – auseinandersetzen und dann entscheiden will, ob man dessen Namen tilgt. Es ist nicht die erste Diskussion in Sachen Wilhelm II. Bereits 1929 und 1949 hatte es Umbe-                                  nennungen in Universität Münster oder Westfälische Landesuniversität Münster gegeben, aber beide Male setzte sich der alte Name wieder durch. Eine 1997 gegründete Kommission schlug erneut eine Umbenennung vor, was aber das Rektorat ablehnte. Statt dessen verbarg man den Hochschulnamen geschickt in einem neuen Corporate Design: WWU. 2012 flammte mit der Umbenennung des Hindenburgplatzes die Diskussion wieder auf.

Und diesmal könnte sie ein Beben auslösen, das weit über Münster hinausreicht. So droht in Berlin bereits die zweite Umbenennung der Universität. Nachdem diese den Namen des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm ablegen mußte, halten inzwischen Teile der Studentenschaft Alexander und Wilhelm von Humboldt wegen „rassistischer Äußerungen“ als Namensgeber ebenfalls ungeeignet für eine Einrichtung, „an der Rassismus, Ausgrenzung und Unterdrückung keinerlei Raum geboten werden sollte“. Viel Arbeit also für Historiker wie Blaschke und Kollegen. Die schreiben dann auch in ihrem Abschlußbericht: „Würde sich die Uni in Münster als erste von 13 bundesweiten Universitäten mit Stifternamen kritisch und offensiv mit dem eigenen Namenspatron auseinandersetzen, wäre das ein positives Alleinstellungsmerkmal für die WWU.“

In der westfälischen Metropole hat sich eine Mehrheit von 60 Prozent der Hochschulangehörigen bei einer Umfrage unterdessen für eine Beibehaltung des Namens ausgesprochen. 15 Prozent war es egal. Der unionsnahe Ring Christlich-Demokratischer Studenten hat eine Online-Petition gegen die Umbenennung eingerichtet.