© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

Wie viele US-Studenten können sich nach Corona zurückmelden?
Bildung als Abzocke
Thomas Kirchner

Seit März gab es in den USA 41 Millionen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Nur ein geringer Teil hat eine Stelle gefunden, denn der verspätete Shutdown hält an – mit 1,8 Millionen Infektionen und bislang über 100.000 Toten schlug die Corona-Pandemie hier am heftigsten zu. Auch die Universitäten und Colleges mußten auf Onlinebetrieb umstellen – und schon jetzt stellt sich die Frage: Wie viele der 19 Millionen Studenten kehren zum Herbstsemester zurück?

US-Hochschulen sind teuer, die wenigsten erhalten Stipendien. Um elf Prozent ist die Zahl der Einschreibungen seit 2011 gesunken, doch das Volumen der Bildungsdarlehen ist seitdem um 74 Prozent gestiegen. Bildung ist ein großes Geschäft für die Anbieter – für die Studentenfamilien ist es ein finanzieller Albtraum. 44 Millionen Amerikaner haben Studienkredite von insgesamt 1,5 Billionen Dollar angehäuft, 37.172 pro Schuldner. Ein vierjähriges Studium kostet im Schnitt 21.370 Dollar jährlich an staatlichen Unis, private berechnen 48.510.

Die Hälfte der US-Haushalte verdient weniger als 61.937 Dollar jährlich und kann sich das ohne Kreditaufnahme nicht leisten. Spitzenreiter sind Mediziner mit 161.772 Dollar Schulden nach ihrer langen Ausbildung, gefolgt von Juristen mit 140.616 Dollar. Woher stammen die hohen Kosten? Lehrbücher kosten pro Studienjahr mehrere tausend Dollar, Verlage und Professoren als Autoren verdienen gut. Auch die Wohnheime sind luxuriöser und stehen in scharfem Kontrast zu spartanischen Unterkünften hierzulande. Während ein deutscher W3-Professor auf 90.000 Euro jährlich kommt, erhalten die US-Kollegen im Schnitt umgerechnt 148.000 Euro. Spitzenmediziner wie David N. Silvers (Columbia) oder Zev Rosenwaks (Cornell) haben Saläre im Millionenbereich.

Finanziert wird das durch staatlich privilegierte Studienkredite. Die Zinsen können zwar von der Steuer abgesetzt werden, aber die Darlehen bleiben auch nach einer Privatinsolvenz bestehen. Kann ein Schuldner wirklich nicht zahlen, springt der Staat ein – nur durch diese Sonderregeln finden sich überhaupt Kreditgeber, die solche Summen finanzieren. Im Schnitt dauert die Rückzahlung zehn Jahre, doch viele schaffen es nie: 600.000 der über 62jährigen haben noch offene Studienkredite. 10,8 Prozent der Kredite sind im Verzug, weit mehr als bei der Schuldenfalle Kreditkarte (8,3 Prozent).

US-Demokraten wie Elizabeth Warren oder Bernie Sanders wollen den universitären Luxus durch Steuern finanzieren, ohne dem eigentlichen Übel an die Wurzel zu gehen: zu hohe Kosten und Gehälter. Rückläufige Einschreibungen bei hohen Kreditausfällen zeigen, daß der Markt langsam die Diskrepanz zwischen Wert und Kosten eines Studiums in den USA erkennt.

National Center for Education Statistics: nces.ed.gov