© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/20 / 05. Juni 2020

Eine Hommage an die Klima-Lobby
Das Erweiterungspaket „Nachhaltig leben“ des Computerspiels „Sims 4“ erzieht Zocker zu Umweltaktivisten
Zita Tipold

Sims wird politisch. Das Spiel, das dieses Jahr seinen 20. Geburtstag feiert, hat ein neues Erweiterungspack angekündigt: „Nachhaltig leben“ (englischer Originaltitel: „Eco living“). Ab dem fünften Juni soll Nutzern eine ganz neue Spielerfahrung zuteil werden, denn die Umwelt wird durch das Verhalten der Sims beeinflußbar. 

Das Computerspiel simuliert das menschliche Leben mit vielen Facetten. Die Figuren können empfinden, handeln, Karrieren einschlagen und sich sogar fortpflanzen. Der Spieler steuert einen oder mehrere „Sims“, die er optisch gestalten und mit Charaktereigenschaften ausstatten kann. Etwa kann ein Sim „gut“ sein und über den Weltfrieden sprechen oder „verspielt“ und allerlei Schabernack treiben. 

Zudem können für die Spielfiguren Lebensziele, wie eine Familie zu gründen oder etwa „stinkreich“ zu werden, festgelegt werden. Diese Faktoren sind nicht irrelevant, sondern bestimmen maßgeblich das individuelle Spielerlebnis, denn sie Steuern die Gefühle und Stimmungen der Figuren. Zum Beispiel neigt ein Sim mit dem Persönlichkeitsmerkmal „familienbewußt“ dazu, traurig zu sein, wenn er eine Weile keine Interaktion mit einem Angehörigen hatte. Die Kunst ist es – wer kennt es nicht –, sowohl seinen Grundbedürfnissen als auch langfristigen Zielen gerecht zu werden.

Die Umgebung wurde absichtlich verdreckt

Ein Sim, den der Spieler zu lange nicht auf die Toilette schickt, pinkelt sich in die Hose, woraufhin seine Hygiene in Mitleidenschaft gezogen wird und er sich aus Scham über das Mißgeschick „vor allem verkriechen“ möchte. Vernachlässigt man über einen längeren Zeitraum essentielle Bedürfnisse der Spielfigur, führt das im schlimmsten Fall zum Tod des Sims. Der Spieler hat die Macht über das Schicksal seiner Figur.

Künftig gibt der US-Entwickler „Electronic Arts“ Sims-Fans noch mehr Macht, denn mit dem neuen Erweiterungspack ist der Spieler nicht nur Herr über den Sim, sondern wirkt durch diesen auch auf seine virtuelle Umwelt. In einem Trailer auf Youtube gewährt der Hersteller erste Einblicke in die Spielergänzung. Man sieht die Stadt in einen dicken grünen Schleier getaucht, die Straßen sind voller Müll und Insekten schwirren umher. 

Der Fokus richtet sich auf mehrere Personen, die zwischen Containern und Müll bunte Schildchen malen. Die Spielerweiterung erlaubt es einem Sim, sich mit anderen zu ökoaktivistischen Gruppen zusammenzuschließen. 

Die Hersteller haben kein Klischee ausgespart: Die Sims tragen zerrissene Jeans, haben bunte Haare, sind tätowiert und gepierct. Zudem können die Sims im Gebiet nachhaltiger Technologien forschen. Die bahnbrechende Erfindung ist ein Objekt, das wie ein Handstaubsauger aussieht und schwups – die grüne dreckige Luft einfach einsaugt, zurück bleibt ein strahlend blauer Himmel. 

Die Macher von Sims bemühen sich in der Regel darum, dem Nutzer eine immer bessere Realitätssimulation zu ermöglichen, doch hier werden ökologische Prozesse völlig absurd und stark vereinfacht dargestellt. Dem Spieler wird mit der Holzhammer-Methode eingebleut, daß jede Handlung eine sofortige und weitreichende Konsequenz nach sich zieht. Das Individuum ist in der Pflicht, die Welt zu retten.  

Solarzellen und Windräder auf den Dächern

Die Häuser der Sims lassen sich zudem nun „nachhaltig“ bauen. Der besonders engagierte Klimaschützer stellt seinem Sim mal eben ein Mini-Windrad auf den Balkon und bepflastert das Dach mit Solarzellen. Doch wo ist der Mehrwert? Der erfahrene Spieler weiß, daß die virtuelle Sims-Welt bereits vor dem Erweiterungspack eine saubere Umwelt hatte, schließlich gibt es nicht einmal fahrbare Autos. Nun wurde sie bewußt verdreckt, nur um das Ziel zu verfolgen, sie wieder auf Normalniveau zu verbessern. Maue „Innovationen“ für den satten Preis von 39,99 Euro für das Erweiterungspack. 

Dementsprechend reagierten auch die Nutzer auf die Vorschau. Rund ein Drittel der abstimmenden Zuschauer gab dem Video einen Daumen nach unten.  

Sims-Fans fühlen sich vom Hersteller übergangen, denn viele Nutzer des Spiels hatten sich eine weitaus traditionellere Form des Ökologismus gewünscht: ein „Farmleben“-Erweiterungspack, bei dem die Sims Bauernhöfe bewirtschaften, Nutztiere halten und in Mehrgenerationenhäusern leben können. 

Die Entwickler haben diesen Wunsch jedoch politisch korrekt angepaßt und ein Szene-Spiel für die Thunbergs dieser Welt daraus gemacht. Sims’ Erfolgskonzept war die Möglichkeit, das Spiel frei nach eigenen Visionen zu spielen, doch der Hersteller hat einen erzieherischen Auftrag angenommen und das Spiel politisiert. Damit wird der Nutzer vom Lenker der Sims zum Gelenkten der Klima-Lobby.