© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Ökumenischer Kirchentag und die AfD
Verlust der Kernbotschaft
Jürgen Liminski

Die christlichen Kirchen in Deutschland arbeiten hart an ihrer Bedeutungslosigkeit. In der Corona-Zeit haben manche offiziöse Vertreter da große Fortschritte gemacht. Jetzt eröffnet sich mit dem Ökumenischen Kirchentag im nächsten Jahr erneut die Chance, wieder ein Stück bedeutungsloser zu werden. Denn mit der Ausgrenzung der AfD von diesem Ereignis werden die Arme, mit denen Christus die Welt umfängt, in Deutschland wieder etwas kürzer.

Früher nannte man die christlichen Körperschaften mal Volkskirchen. Nun fragen sich wachsende Teile des Volkes – siehe die sinkenden Kirchenbesucherzahlen –, ob eine Kirche, die sich politisch verrennt, die Andersdenkende pauschal, also ungerecht und unbarmherzig ausgrenzt, überhaupt noch diskussionsfähig ist und in ihrem Getto-Denken schon den übergeordneten Sinn für die prinzipielle Würde aller Menschen verloren hat. Es geht um die Kernbotschaft.

Man muß die AfD nicht mögen, aber christliches Comment gebietet es, mindestens offen, barmherzig und gerecht sein zu wollen. Würde ist keine Worthülse. Thomas von Aquin schrieb dazu: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist grausam, aber Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“ Mit anderen Worten: Kirchenleute, die aus politischen Gründen weder gerecht noch barmherzig sein wollen, leisten der Selbstauflösung, eben der Bedeutungslosigkeit, Vorschub.