© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Kein Ort nirgends
Vor Jahren beschlossen, seit Jahren verschleppt: Noch immer gibt es in Berlin kein zentrales Mahnmal für die Opfer des Kommunismus
Christian Vollradt

Des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 gegen das SED-Regime wurde zum letzen Mal 1990 an einem gesetzlichen Feiertag, dem damaligen „Tag der deutschen Einheit“, in der Bundesrepublik gedacht. Seitdem ist der 3. Oktober, der Tag des Beitritts der fünf neuen Bundesländer, der offizielle „Tag der Deutschen Einheit“. Was es auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung in Deutschland noch immer nicht geben wird: ein zentrales Mahnmal für die Opfer des Kommunismus.

Noch im Dezember vergangenen Jahres hatte der Bundestag beschlossen, ein entsprechendes Denkmal zu errichten. „Mit diesem Gedenkort soll der Opfer von kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland in angemessener Form ehrend gedacht und die Erinnerung an  das von der kommunistischen Diktatur begangene Unrecht wachgehalten werden.“ Das alles solle eng abgestimmt werden mit den „Opferverbänden und anderen Institutionen, die sich mit der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur beschäftigen“. Noch im ersten Quartal 2020, so der Beschluß, habe die Bundesregierung ein Konzept vorzulegen.

Passiert ist jedoch bis jetzt praktisch  nichts. Zumindest nichts Konkretes. Als vor gut einem Monat die Abgesandten der mit der Umsetzung beauftragten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Bundestag den aktuellen Sachstand vortrugen, reagierten parteiübergreifend viele Mitglieder des Kulturausschusses verstimmt. Denn was den Abgeordneten da präsentiert wurde, war in erster Linie eine Wiederholung ihres eigenen Beschlusses. Für die Umsetzung des Projekts habe die Staatsministerin die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gebeten, „gemeinsam mit der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) die Funktion einer Geschäftsstelle für das Vorhaben zu übernehmen“. Deren Aufgabe sei vornehmlich „die Erarbeitung eines inhaltlichen Konzepts“ samt Vorbereitung und Betreuung eines Wettbewerbs. „Das inhaltliche Konzept soll zu gegebener Zeit den Mitgliedern des Kulturausschusses vorgestellt werden.“ Zu gegebener Zeit …

Auch ein Standort ist noch längst nicht in Sicht. Man habe über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eruieren lassen, inwieweit es geeignete Grundstücke im Bundeseigentum gebe. „Diese erste Exploration blieb bislang noch ohne ein zureichendes Ergebnis.“ Vergangene Woche teilte Regierungssprecher Steffen Seibert dann mit, daß bis Anfang Juli „erste Eckpunkte für das Konzept formuliert werden“ sollen. Auf dieser Grundlage sei dann vom Bundestag ein Kostenrahmen und ein Standort für das geplante Mahnmal festzulegen.Erst danach kann der Wettbewerb um die Gestaltung beginnen.

Für den Bundestagsabgeordneten Götz Frömming (AfD) ist das alles ein Skandal. „Offenkundig ist hier ein mit breiter Mehrheit im Bundestag beschlossener Auftrag an die Bundesregierung von dieser nicht ernst genommen worden“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Es verfestigt sich der Eindruck, daß die Errichtung des Mahnmals verschleppt wird“, empörte sich der Berliner Parlamentarier, der vor dem Wechsel in die Politik lange Zeit als Geschichtslehrer gearbeitet hatte. Frömming hatte den bereits Anfang November vergangenen Jahres eingebrachten Antrag seiner Fraktion für die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Sozialismus beziehungsweise Kommunismus maßgeblich mit angestoßen und formuliert. Als die Koalitionsmehrheit dann im Dezember ihren eigenen Antrag vorlegte, kritisierte Frömming im Plenum, daß der in erster Linie darin bestehe, „eine Machbarkeitsstudie für 250.000 Euro in Auftrag zu geben“. Es sei daher eine „ähnliche Hängepartie wie bei dem Einheitsdenkmal“ zu erwarten. „Planen Sie nicht, geben Sie keine Machbarkeitsstudie in Auftrag, sondern handeln wir endlich gemeinsam“, forderte der AfD-Abgeordnete seine Kollegen auf. 

Doch angesichts des Vorgehens der Kulturstaatsministerin drängt sich der Verdacht auf, daß Frömmings Appell ungehört blieb und statt dessen eher sein Pessimismus bestätigt wurde. Zumal die Genese des Mahnmals für die Kommunismus-Opfer einer unendlichen Geschichte gleicht. 

Schon vor sieben Jahren, im Juni 2013, hatte der Ausschuß für Kultur und Medien in einer Beschlußvorlage die Bundesregierung aufgefordert, „die Einrichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft zu prüfen“. Im September 2015 verabschiedete das Parlament dann unter der Überschrift „25 Jahre Deutsche Einheit – Leistungen würdigen, Herausforderungen angehen“ einen Antrag von Union und SPD, laut dem der Bau eines solchen Denkmals „an einem zentralen Ort in Berlin vorzubereiten und zu begleiten“ sei. Wiederum zwei Jahre später warfen sich dann die schwarz-roten Koalitionsfraktionen gegenseitig vor, für das Scheitern des Vorhabens „auf den letzten Metern“ verantwortlich zu sein. 

Zuständig ist nur eine Mitarbeiterin      

Formal hatten tatsächlich die Unionsabgeordneten seinerzeit einen Rückzieher gemacht. Grund dafür war indes, daß die Sozialdemokraten den gemeinsamen Entwurf so aufgebläht hatten, daß der eigentliche Fokus auf die Opfer des Kommunismus „systematisch verwässert“ wurde, wie Kritiker damals bestätigten (JF 29/17). Unter anderem war in dem SPD-dominierten Gedenkstättenkonzept die Rede davon, „auch die Opfergruppen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik im Osten“ einzubeziehen. 

Bei der christdemokratischen Kulturstaatsministerin scheint das Thema Mahnmal für die Kommunismus-Opfer bisher auch nicht die höchste Priorität zu genießen. Gerade mal eine einzige Sachbearbeiterin ist in ihrem Hause dafür zuständig.  

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