© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Der Zweck heiligt die Mittel
„Black Lives Matter“: Bundesweit demonstrieren Zehntausende gegen Rassismus / Politiker fordern mehr Bewußtsein für Diskriminierung
Björn Harms

Die „Black Lives Matter“-Bewegung ist endgültig in Deutschland angekommen. In vielen Großstädten versammelten sich am Wochenende Tausende, um gegen Rassismus zu protestieren. In München war von rund 25.000 Demonstranten die Rede. Auf dem Berliner Alexanderplatz fanden sich rund 15.000 Teilnehmer ein. In Hamburg kamen etwa 14.000 Personen zusammen. Auch in Leipzig, Hannover, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart oder Mannheim lag die Teilnehmerzahl bei mehreren tausend. Am Rande der Demonstrationen kam es teilweise zu Gewalt. Während in Stuttgart rund 500 Linke vor einem Polizeirevier randalierten, bewarfen in Hamburg rund 200 zum Teil vermummte Personen Polizeibeamte mit Flaschen und Pyrotechnik. In Berlin nahm die Polizei 93 Personen vorläufig fest, 28 Polizisten wurden leicht verletzt. Im Berliner Stadtteil Neukölln waren bereits am Freitag abend rund 50 Linksextremisten, vermummt und mit Fackeln und Steinen bewaffnet, durch die Straßen gezogen, um bei neun Geschäften die Scheiben einzuwerfen und Müllcontainer in Brand zu setzen. „George Floyd wurde von einem Bullen ermordet“, heißt es in einem Bekennerschreiben auf der Szeneplattform Indymedia. „Wir haben Haß auf das System.“

An die Hygienevorschriften hielt sich bei den bundesweiten Protesten kaum jemand. Dicht an dicht drängten sich die Demonstranten in den jeweiligen Innenstädten. Während sich viele Bürger in den sozialen Medien empört zeigten, regte sich aus der Politik nur zaghafte Kritik: „Dichtgedrängte Menschenmengen mitten in der Pandemie besorgen mich“, erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Berliner Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, wählte da schon schärfere Worte: „Unsere Kinder dürfen noch immer nicht in die Schule, doch bei solchen Demos gucken alle weg.“

Schwarze Lobbygruppen verschärfen Druck

Doch der Zweck heiligt offenbar die Mittel: Großdemonstrationen wie am Wochenende seien im Moment „sicherlich nicht ohne“, gestand Juso-Chef Kevin Kühnert. Menschen müßten aber ihre Meinung äußern können. Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) forderte sogleich mehr Bewußtsein für Diskriminierung. „Wir müssen Rassismus erkennen, benennen und in allen Bereichen bekämpfen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das sei auch Auftrag des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. „Rassismus gibt es auch in Deutschland – in der Schule, auf der Straße, im Job, in Bus und Bahn, im Freundeskreis.“ 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby forderte gar eine Änderung des Bundespolizeigesetzes. Viele Menschen seien Opfer von verdachtsunabhängigen Kontrollen („Racial profiling“). Als Vorbild für andere Bundesländer nannte Diaby das Berliner Antidiskriminierungsgesetz (Seite 4).

Lobbygruppen der Dunkelhäutigen verschärfen derweil den Druck auf die Politik. Peggy Piesche, Referentin für Diversität, Intersektionalität und Dekolonialität in der Bundeszentrale für politische Bildung, bedauerte im Tagesspiegel: „Für uns politisch aktive Menschen aus den Schwarzen Communities hat die Pandemie Räume in der Öffentlichkeit wieder schrumpfen lassen, das Geld wurde knapper und an den Rand gedrängte Gruppen mußten noch weiter zurücktreten.“ Dazu kämen der immer deutlichere globale Rechtsruck und die Ausbrüche von Polizeigewalt, Morde und Racial profiling. „So etwas passiert ja nicht nur in Minneapolis, so etwas passiert auch bei uns“, behauptete Piesche.