© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Außen schwarz, innen rot
Die Geschichte der „Black Lives Matter“-Bewegung: Der Dachverband will eine „radikale Neuausrichtung der Macht“
Björn Harms

Alle reden über sie, doch bekannt ist nur wenig. Wer oder was steckt eigentlich hinter der Bewegung „Black Lives Matter“ (BLM)? Die dezentrale Initiative sammelte sich zunächst im Sommer 2013 nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners Trayvon Martin unter dem Hashtag #BlackLivesMatter auf Twitter. Ein Jahr später gründeten die schwarzen Aktivisten Patrisse Khan-Cullors, Alicia Garza und Opal Tometi das Black Lives Matter Network, das mittlerweile 16 Ortsgruppen in den USA auflistet, die lose miteinander verbunden sind. Seitdem organisierten lokale Gruppen über 1.000 BLM-Demonstrationen in den USA.

Auch in Europa gibt es diese immer wieder, so auch am vergangenen Wochenende. Als Ziel gibt der Verbund auf seiner Website an, „die Vorherrschaft der Weißen auszurotten und lokale Macht aufzubauen, um in die Gewalt eingreifen zu können, die der schwarzen Gemeinde durch Staat und Selbstjustizler zugefügt wird“. Der frühere Bürgermeister von New York City, Rudy Giuliani (Republikaner), nennt BLM „von Natur aus rassistisch“ und „antiamerikanisch“. Die Bewegung spalte die Menschen.

Mindesteinkommen für alle Schwarzen gefordert

Von seiten demokratischer Politiker, Sportstars und Hollywoodgrößen erfährt BLM jedoch große Unterstützung. Mehrere bekannte Firmen – darunter Electronic Arts, Ubisoft und Glossier – spendeten in den vergangenen Tagen sechs- bis siebenstellige Beträge an BLM.

2016 veröffentlichte die „Bewegung für Schwarzes Leben“ (M4BL), ein Dachverband aus 60 Nichtregierungsorganisationen (NGOs), der auch das Black Lives Matter Network angehört, ein umfangreiches Manifest. Darin werden Reparationen „in Form eines garantierten lebenswerten Mindesteinkommens für alle Schwarzen“ aufgrund der „fortgesetzten Entrechtung, Diskriminierung und Ausbeutung unserer Gemeinschaften“ gefordert.

In einem im vergangenen Jahr publizierten Plan „Schwarze Macht im Aufwind 2024“ fordert der Dachverband, Polizei und Gefängnisse abzuschaffen und eine „radikale Neuausrichtung der Macht anzustreben“, die „marginalisierte Schwarze in den Mittelpunkt“ rücke, aber auch „Transsexuelle und Queers, Frauen und Femmes (Lesben), derzeit und früher Inhaftierte, Immigranten, Behinderte, die Arbeiterklasse und Arme“. Zudem soll das „globale, rassifizierte, kapitalistische System“ überwunden werden. 

Zur Selbstlegitimierung nutzt die schwarze Bürgerrechtsbewegung ein Narrativ, das sich auch in Politik und Medien wiederfindet. Demnach unterdrücke eine weiße, zutiefst rassistische Gesellschaft die schwarze Bevölkerung systematisch, zum Teil durch offene Gewalt. Und das nicht erst seit gestern. Schon der Tod von Trayvon Martin im Jahr 2012, der später zur Gründung von BLM führte, wurde mißbraucht, um diesen nicht belegbaren Vorwurf zu verbreiten (siehe Grafik unten). Damals hieß es, ein weißer, bewaffneter Mann habe einen unschuldigen schwarzen Highschool-Schüler erschossen.

Das spätere Urteil widersprach der Darstellung: Am 13. Juli 2013 wurde George Zimmerman – ein Latino und kein Weißer – von einer sechsköpfigen Jury für unschuldig befunden und freigesprochen. Zimmerman war Mitglied einer Nachbarschaftswache in einer „Gated Community“. Tatsächlich hatte er Martin erschossen, allerdings ging dem Ganzen eine schwere körperliche Auseinandersetzung voraus. Der Todesschütze berief sich auf Notwehr, Aufnahmen bei seiner Festnahme zeigten sein blutüberströmtes Gesicht. Das Opfer war auch kein harmloser Junge, sondern wegen Gewaltdelikten und Drogenhandels polizeibekannt. In den Medien blieben diese Hintergründe lange Zeit außen vor.

Auch bei der Blaupause der jetzigen Randale, den schweren Rassenunruhen in Los Angeles 1992, hatte sich ähnliches abgespielt. Der Freispruch für vier Polizisten (drei Weiße und ein Latino), die den Afroamerikaner Rodney King mit ihren Schlagstöcken schwer verletzt hatten, versetzte die schwarze US-Bevölkerung vor 28 Jahren in einen Ausnahmezustand. Fünf Tage lang tobte der Mob, 53 Menschen wurden getötet, 2.382 verletzt, mehr als 12.000 Personen verhaftet.

Die Wahrheit über den Auslöser kam erst nach und nach ans Tageslicht. Demnach hatten sich die vier Beamten mit dem Kleinkriminellen King, der betrunken am Steuer saß, eine Verfolgungsjagd geliefert. Einmal angehalten, stiegen Kings zwei Mitfahrer aus dem Auto aus, legten sich wie befohlen auf den Boden und gingen ohne einen Kratzer nach Hause. King jedoch reagierte nicht. Auch eine Taser-Pistole bewirkte nach dem Ausstieg aus dem Fahrzeug nichts. King stürzte sich auf einen Beamten, der sich mit seinem Schlagstock wehrte. Der Angreifer aber tobte weiter. Der Polizei gingen die Möglichkeiten aus. Alle vier Beamte schlugen anschließend auf King ein – mit brutaler Gewalt, die auch auf Videoaufnahmen dokumentiert wurde. Vor Gericht gab man ihnen recht. Erst in einem späteren Verfahren wurden zwei der vier Beamten für schuldig befunden und zu je 30 Monaten Haft verurteilt. King geriet auch im Anschluß immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Mit 47 Jahren ertrank er unter Einfluß eines Drogencocktails aus Alkohol, Marihuana, Kokain und Phencyclidin in einem Schwimmbecken.