© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Wirtschaft und Sicherheit
Wohin steuern die USA? Viele Demoskopen bescheinigen Amtsinhaber Trump schlechte Wiederwahlchancen
Thorsten Brückner

Die Frage nach den Wiederwahlchancen von US-Präsident Donald Trump im November ist nicht leicht zu beantworten. Zu einmalig sind die gegenwärtigen Rahmenbedingungen fünf Monate vor der Wahl. Zu weit hergeholt wirken gezogene Parallelen zu früheren Wahlkämpfen. Der derzeit in amerikanischen Medien am häufigsten bemühte Vergleich ist der mit 1968. Auch damals erschütterten Rassenunruhen nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King das Land.

Damals tat Präsident Lyndon B. Johnson, was Trump vergangene Woche androhte: Die Entsendung von Militär in amerikanische Städte auf Basis des Insurrection Acts von 1807. Nach Baltimore ,Washington und Chicago schickte Johnson damals die US-Streitkräfte. Ebenso wie übrigens George H. W. Bush 1992 bei den Los Angeles Riots. Der konnte durch die Niederschlagung der Unruhen damals nicht profitieren. Und was 1968 angeht: Nicht nur der frühere US-Präsident Barack Obama wies auf die Unvergleichbarkeit der Situation hin. 

Damals war Richard Nixon, der von den Krawallen durch seine „Law and Order“-Kampagne profitieren konnte, der Herausforderer. Der Amtsinhaber trat nicht mehr an. Und zwischen seinen Gegenkandidaten Hubert Humphrey und George Wallace konnte sich Nixon als der zwar starke, aber gemäßigte Mann inszenieren. Eine solche Rolle bleibt Trump verwehrt. Ihm kann nur eine Strategie wie die von Bushs Wahlkampfmanager Karl Rove 2004 zur Wiederwahl verhelfen, die zu 100 Prozent auf die Mobilisierung der eigenen Basis setzt.

Die Bewertung von Trumps Handeln nach der Ermordung von George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis ist indes widersprüchlich. Zwar unterstützen 58 Prozent der registrierten Wähler laut einer Umfrage des Instituts Morning Consult den Einsatz von Militär gegen die Unruhen. Nur 30 Prozent sprachen sich dagegen aus. Eine YouGov-Umfrage kommt allerdings zu einem gegenteiligen Ergebnis.

Mehr Übereinstimmung sehen die Demoskopen bei der Bewertung von Trumps Krisenmanagement. Laut Ipsos-Umfrage glauben nur 33 Prozent, Trump habe nach dem Floyd-Mord einen guten Job gemacht (58 Prozent äußerten sich gegenteilig). Eine „Emerson College“-Erhebung kommt auf 36 Prozent Zustimmung und 47 Prozent Ablehnung. Dabei handelt es sich freilich nur um ein erstes Stimmungsbild.

Hohe Arbeitslosenzahlen sprechen gegen Amtsinhaber

Weder ist die Krise vorbei, noch ist der Wahltag so nah, daß man aus diesen Zahlen schon eine Richtung ablesen kann. In allen landesweiten Umfragen liegt Trump hinter dem designierten Kandidaten der Demokraten, Joe Biden. Nur, welche Aussagekraft haben solche Umfragen nach den Erfahrungen von 2016, auch mit Blick darauf, daß der Ausgang ja nicht in einem landesweiten „Popular Vote“ – den tatsächlichen Wählerstimmen –, sondern im Electoral College von Wahlmännern entschieden wird?

Viel schwerer lastet auf Trumps Wiederwahlchancen ohnehin die hohe Arbeitslosigkeit. Zwar brachten die Mai-Zahlen nach dem April (mit der höchsten Arbeitslosenquote seit der Großen Depression) eine gewisse Entspannung. Allerdings liegt die Arbeitslosenquote immer noch bei 13,3 Prozent. Experten weisen darauf hin, daß sie sogar noch drei Prozentpunkte höher sein könnte, rechnet man all die Beschäftigten ein, die von ihrem Arbeitgeber vorübergehend freigestellt wurden. Dennoch jubelt Trump bereits über die „unglaubliche“ Rückkehr von 2,5 Millionen Jobs von April auf Mai – der höchste Wert innerhalb eines Monats seit Beginn der Aufzeichnungen. Schaut man allerdings auf die Arbeitslosenquoten, bei denen in der Vergangenheit Präsidenten nach vier Jahren aus dem Amt gejagt wurden, ist das Bild für Trump erheblich düsterer. Jimmy Carter schickten die amerikanischen Wähler bei 7,2 Prozent in die Wüste und George H.W. Bush, dessen Gegenkandidat Bill Clinton den Satz „It’s the economy, stupid“ prägte, verließ das Weiße Haus bei einer Quote von 7,4 Prozent. Schwer vorstellbar, daß sich der Arbeitsmarkt bis November auch nur annähernd auf dieses Niveau erholen könnte.

Obama schlug Profit aus der Krise

Ungemach prophezeit Trump auch das neueste Vorhersagemodell des Instituts „Oxford Economics“, das seit 1948 mit zwei Ausnahmen stets den Sieger im „Popular Vote“ vorhergesagt hat. Nachdem es Trump noch vor der Corona-Krise 55 Prozent der Stimmen prognostiziert hatte, sind es nunmehr 35 Prozent – das wäre der schlechteste Wert für einen Kandidaten der beiden großen Parteien seit 1924.

Auch der Politologe Alan Abramowitz glaubt an eine Niederlage in „erdrutschartigen Dimensionen“. Allerdings gibt es auch Beispiele von Präsidenten, die trotz hoher Arbeitslosigkeit das Rennen für sich entscheiden konnten. Im Juni 2012 lag die Arbeitslosenquote bei 8,2 Prozent. Dennoch wurde Barack Obama wiedergewählt. Ihm war es gelungen, die Wähler davon zu überzeugen, daß die Zahlen immer noch der Finanzkrise unter der Bush-Präsidentschaft 2008 anzulasten seien.

Hier läge das Potential für Trump: Er wird versuchen, die Corona-Pandemie und die drakonischen Maßnahmen vieler Demokraten-Gouverneure für die Krise verantwortlich zu machen und sich selbst als den Mann verkaufen, der als einziger die Jobs zurückholen kann. Das war allerdings auch die Strategie von Herbert Hoover. Der republikanische Amtsinhaber verkündete 1932 auf dem Höhepunkt der Großen Depression: „Der Wirtschaftsaufschwung steht bereits vor der Tür“, nur um wenig später krachend gegen Franklin D. Roosevelt zu verlieren.