© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Toleranz meint Unterwerfung unter das Akzeptanzdiktat
Vielfalt ist aktiv zu bejahen
(ob)

Toleranz ist die Tugend unserer Zeit“, findet David Hommen (Gehirn & Geist, 5/2020). Aber die Einforderung von Toleranz ist auch ein Machtinstrument, was der um politische Korrektheit bemühte Düsseldorfer Philosoph allerdings nur vorsichtig anhand einer etymologischen Herleitung verdeutlicht. Aus dem Lateinischen übersetzt, meint „tolerieren“ eigentlich ertragen, erdulden, aushalten. Im öffentlichen Diskurs werde der Begriff jedoch ausschließlich im Sinn jener „Erklärung von Prinzipien der Toleranz“ verwendet, mit der die Unesco 1995 vor allem den Völkern und Staaten Europas eine Benimmregel für die ihnen zugedachte Zukunft als „multikulturelle Einwanderungsgesellschaften“ diktierte. Das Papier definiert Toleranz als „Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt“. Abgesehen davon, daß die Europäer diese Anerkennung offenbar dadurch beweisen sollen, daß sie den „Kulturen der Welt“ ihre Grenzen öffnen, bedeute „Akzeptanz“ mehr als Toleranz. Gefordert werde damit eine aktive Zustimmung, eine Bejahung im Unterschied zum passiven Erdulden von Dingen, die nicht der eigenen Vorstellung entsprechen. Toleranz sei damit nicht automatisch gut, Intoleranz nicht automatisch falsch. Trotzdem begrüßt Hommen die Oktroyierung von „Vielfalt“, indem er das politische Problem psychologisiert: Die gegen fremde Kulturen im eigenen Land „Intoleranten“ übten kein legitimes Recht auf Selbstbestimmung aus, sondern könnten lediglich ihre „tief sitzenden Ressentiments“ schwer bändigen, aus denen sich ihre „rassistische Ideologie“ speise, die sich gegen fremde soziale Gruppen und deren Sitten richte. 


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