© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Japans Sprungbrett nach Alaska
Der Kampf um die Aleuten-Inseln als Beispiel für die Unerbittlichkeit der Tenno-Truppen im Endkampf
Hans-Joachim Schodlok

Die Invasion japanischer Truppen begann völlig unerwartet.Am 6. Juni 1942 erfolgte die Landung japanischer Truppen auf der Aleuteninsel Attu und am 7. Juni auf der Insel Kiska. Beide Unternehmen stießen nur auf geringen Widerstand, was auch dem Umstand zu verdanken war, daß die nächste größere US-Luftwaffenbasis auf der Kodiak-Insel über tausend Kilometer von den Landungspunkten entfernt war. 

Auf den eroberten Stützpunkten verbrachten die japanischen Kräfte die nächsten Monate, ohne für Japan einen strategischen Nutzen oder für die USA eine Gefahr darzustellen. Die Versorgung der gelandeten Truppen erfolgte bis 1943 durch Schiffskonvois, bis nach der letztlich für die US Navy erfolgreichen Seeschlacht bei den Komodorski-Inseln diese nur über U-Boote erfolgen konnte.

Die US Air Force konnte bis zum 16. Februar 1943 auf der Aleuten-Insel Amchitka eine Startbahn soweit fertigstellen, daß Luftangriffe auf Kiska und Attu möglich waren. Am 11. Mai 1943 begann die Operation „ Landgrab“ mit der über Wochen andauernden Bombardierungen der japanischen Stellungen mit Flugzeugen und später auch Beschießung mit Schiffsartillerie, bevor 11.000 US-Soldaten auf Attu landeten.

Dort stießen sie trotz der masiven Bombardierungen auf harten Widerstand. Die sich vorwiegend aus alten Männern und unzureichend ausgebildeten Rekruten, geführt von Reserveoffizieren, bestehenden japanischen Verteidiger hatten sich zwischenzeitlich bestens an die rauhen klimatischen Verhältnisse der Aleuten angepaßt, kannten sich in den verwirrenden Höhlensystemen aus und verstanden es, den meist herrschenden dichten Nebel zu nutzen. So konnte der japanische Widerstand von nur etwa 800 kampffähigen Männern durch 11.000 US-Soldaten erst nach drei Wochen teilweise überwunden werden. Ab 28. Mai waren die Vorräte der Japaner an Verpflegung, Munition und Sanitätsmaterial auf ein bedenkliches Maß geschwunden.

Der japanische Kommandeur Oberst Yasyo Yamasaki entwickelte deshalb einen verzweifelten Plan. Neben seinen rund 800 kampffähigen Männern belasteten rund 600 Verwundete die Versorgung seiner Truppen. Um die Versorgungsprobleme zu reduzieren, ordnete er die Tötung dieser 600 Mann an, wobei er auf die alte japanische Tradition zurückgriff, daß ein japanischer Soldat lieber in den Tod geht, als sich dem Feind zu ergeben. Eine US-Aufklärungseinheit wurde Zeuge dieses rituellen Selbstmordes, bei dem sich 200 Japaner ohne fremde Einwirkung töteten, während 400 Verwundeten „geholfen“ werden mußte, in den Tod zu gehen.

Den kampffähigen 800 Soldaten gelang es, im dichten Nebel die amerikanischen Sicherungen zu überwinden, um zur Eroberung des von den Amerikanern so benannten Engineer Hill mit einer schweren US-Artillerie-Batterie vorzudringen. Nach Eroberung dieser Stellung wollte Yamasaki mit den dort befindlichen Munitionsvorräten möglichst viele amerikanische Einrichtungen zerstören und viele Feinde töten.

Auf ihrem Weg zum Engineer-Hill lag das amerikanische Lazarett mit angegliederter Küche. Die im Lazarett und in der Küche befindlichen US-Soldaten wurden wegen des starken Nebels völlig überrascht. Wem nicht die Flucht gelang, wurde getötet. Die auf dem Engineer Hill befindlichen Soldaten hörten das Geschrei und die Schüsse von den tiefer gelegenen Lazarett-Zelten und konnten sich noch in letzter Sekunde in ihre Stellungen zurückziehen. Es gelang ihnen, bei eigenen Verlusten, zunächst den Japanern die Eroberung zu verwehren. Oberst Yamasaki versuchte aus dem Nebel heraus einen zweiten Angriff, bei dem er sein Schwert über seinem Kopf schwingend wie ein Banzai-Krieger voranstürmte. Doch da traf ihn eine amerikanische Kugel. Einigen Japanern gelang es, die Spitze des Hügels zu erobern, doch wurden die Eroberer von den massiv überlegenen Amerikanern schließlich aus der Stellung geworfen. Die letzten Japaner kämpften bis zu ihrem Tod weiter. Nach diesem Kampf war das Gelände übersät mit gefallenen amerikanischen und japanischen Soldaten. Die Schlacht um Attu kostete die US-Amerikaner 549 Tote, 1.148 Verwundete, 1.200 Soldaten mit schweren Erfrierungen. Bei den Japanern gab es 2.630 Tote und keine Überlebenden.

Von Attu und Kiska war die Eroberung Alaskas geplant

Völlig anders erfolgte die Eroberung von Kiska. Gewarnt von den Schwierigkeiten bei der Eroberung von Attu mobilisierten die Amerikaner eine Streitmacht von 34.500 Soldaten, darunter 5.300 Kanadier, denen mindestens 45 schwere und leichte Schiffseinheiten zur Seite standen. Zunächst wurden die  japanischen Stellungen mit 385 Tonnen Bomben belegt und anschließend mit etwa 300 Tonnen Granaten der Schiffsartillerie sturmreif geschossen.

Die US-kanadischen Truppen verloren bei diesem Angriff 313 Mann durch eigenes Feuer, Sprengfallen, Seuchen und Frostschäden. Dies, obwohl der amerikanische Angriff vollständig ins Leere lief. Nach der US-Eroberung von Attu hatte die japanische Führung die japanische Besatzung von Kiska unbemerkt evakuiert.

Aus Sicht der heutigen Verhältnisse scheint die japanische Landung auf den Aleuten keinen strategischen Sinn zu ergeben. Die Planung dieses Angriffs entstand im Zusammenhang mit der Schlacht bei den Midway-Inseln, mit dem Versuch, einen Teil der US-Flotte wegzulocken. So erfolgte die japanische Landung auf den Aleuten und der japanische Angriff bei den Midway-Inseln im Juni 1942 fast gleichzeitig. 

Bei einem Sieg der Japaner bei Midway hätten die beiden Stützpunkte Attu und Kiska Ausgangspunkt für die Eroberung von Alaska werden können. Ganz Alaska hatte nach offiziellen Angaben im Jahre 1940 etwa 35.000 Einwohner. Eine zahlenmäßig kleine japanische Landungsflotte, unterstützt von trägergebundenen Luftwaffeneinheiten, hätte Alaska militärisch besetzen und als Stützpunkt von großer strategischer Bedeutung nutzen können.

Japan war ab Dezember 1941 offizieller Verbündeter des Deutschen Reiches. Die japanischen Interessen in diesem Kriege waren jedoch völlig anders gelagert als die deutschen. Während der Kampf mit der Sowjetunion zur deutschen Überlebensfrage wurde, vermied die japanische Führung alles, was der Sowjetführung hätte einen Kriegsgrund gegen Japan geben können. So konnten Schiffe unter der Flagge der Sowjetunion unbehelligt über die Hälfte der von den USA gelieferten Kriegsgüter (14.700 Flugzeuge, 7.056 Panzer, 375.000 Lkw, 1.900 Lokomotiven) von der Küste der USA nach Wladiwostok, dem Endpunkt der Transsibirischen Eisenbahn, transportieren. Diese Route war für die kriegsentscheidende Versorgung der sowjetischen Armeen bedeutsamer als die Murmanskroute mit den Geleitzügen über den Atlantik oder die Persienroute.