© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/20 / 12. Juni 2020

Frisch gepresst

Jochmann. 1.150 Autoren versammelt das 2007 veröffentlichte dreibändige „Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs“. Das ist ein Schatzhaus, über das sich lettische und estnische Historiker freuen, von dem aber hierzulande wenig Notiz genommen wird, da Forschung zur 700jährigen deutschen Kultur der „baltischen Länder“ kaum mehr stattfindet und selbst letzte bildungsbürgerliche Mohikaner Mühe hätten, auch nur zehn von 1.150 baltischen Autoren zu nennen. Der Name des aus Per­nau stammenden Vormärz-Publizisten Carl Gustav Jochmann (1789–1830), dessen Herz seit 2015 in einer Vase im Rigaer Dom ruht, dürfte kaum darunter sein. Jochmann war ein westlich orientierter Aufklärer, der unter dem Druck der Karlsbader Beschlüsse anonym publizierte, um von den vom Untertanengeist erfüllten Deutschen, die nur mehr die poetische, nicht die politische Sprache beherrschten, den Mut einzufordern, sich aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien. Mit diesem Anspruch scheint der „Kosmopolit aus Pernau“ stets aktuell zu werden, wenn die erträumte bürgerliche Debattenkultur, in der für ihn die „Kraft zur Revolution“ steckte, auf dem Spiel steht. So um 1930, als Werner Kraft und Walter Benjamin Jochmann wiederentdeckten. Und so erklärt sich vielleicht auch die schmale Aufsatzsammlung, die als gute Einführung in Leben und Werk Jochmanns taugt. (wm)

Ulrich Kronauer, Jaan Undusk (Hrsg.): Carl Gustav Jochmann. Ein Kosmopolit aus Pernau. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2020, gebunden, 157 Seiten, 29 Euro





Medienkritik. Der bekannte Staatsrechtler Ingo von Münch beschreitet publizistisch gern auch Wege abseits juristischer Fachliteratur. Nach den Massenvergewaltigungen am Ende des Zweiten Weltkriegs (2009) beschäftigt sich der Emeritus nun mit der Krise der Medien. Als altgedienter Beobachter der Printmedien beschränkt sich von Münch auch auf deren Analyse. So sieht er den Vertrauensverlust und das in den Auflagen deutlich werdende Abwenden der Leser oft als hausgemachtes Problem. Scharf, aber ohne Schaum vor dem Mund kritisiert er den verbreiteten Bevormundungsjournalismus, den immer engeren und damit eben auch langweiligeren Meinungskorridor und nicht zuletzt die inflationäre Verwendung von Tendenzfloskeln wie „Nazi“ oder „Hetze“. (bä)

Ingo von Münch: Die Krise der Medien. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2020, broschiert, 140 Seiten, 19,90 Euro