© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

So dankt das Vaterland
Bundeswehr: Wie Kritik von Soldaten mit zweierlei Maß sanktioniert wird
Christian Vollradt

Die effektivste Waffe in der Bundeswehr ist der Stift. Beziehungsweise die Computertastatur. Jedenfalls drängt sich in jüngster Zeit der Eindruck auf, zumindest im Kommando Spezialkräfte (KSK) würde vor allem mittels Briefeschreibens wahlweise Abschreckung oder aber massive Vergeltung betrieben.

Erst forderte der Kommandeur des Eliteverbands in Calw, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, in einem Schreiben an seine Untergebenen diejenigen, die „mit dem rechten Spektrum sympathisieren“, auf, sie „sollten aus eigenem Antrieb unseren Verband und die Bundeswehr verlassen“ (JF 24/20). Nun sorgte ein Hauptmann der Fallschirmjäger für Furore, der zum Kommandosoldaten ausgebildet werden sollte und sich nun in einem Brief direkt bei Verteidigungsministerin  Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) über die Zustände in der Einheit beschwert hat. Das zwölfseitige Schreiben liegt der JUNGEN FREIHEIT vor. 

Von Mängeln in der Menschenführung, Willkür von Vorgesetzten, Kadavergehorsam – und nicht zuletzt rechtsextremen Tendenzen ist darin die Rede. Dies ergebe, so der Offizier, einen „bislang nicht austrockenbaren Sumpf von der Zivilgesellschaft und der FDGO entrückten Ansichten im KSK“. 

Vieles, worüber sich der Soldat beschwert, betrifft Vorkommnisse oder Entscheidungen während der Lehrgänge. So etwa, daß offenbar keiner der drei Offiziere seines Ausbildungszugs – der Verfasser des Briefes eingeschlossen – die Basisausbildung bestanden hat.  

Für den angeblich grassierenden Rechtsextremismus in der Einheit gibt es hingegen wenig konkrete Beispiele. Da wird mal eine „bedenkliche, mindestens aggressiv nationalkonservative Gesinnung“ erwähnt oder das Funk-Rufzeichen „Yankee 88“, dessen Zahlenkombination auf eine in rechtsextremen Kreisen gebräuchliche Chiffre deute. Doch wie ist dann zu bewerten, daß im bundeswehrinternen Telefonnetz die Auskunft unter der Nummer 88 erreichbar ist? Als einen der angeblich Hauptverantwortlichen für die Mißstände nennt der Briefschreiber den früheren Leiter der Kommandoausbildung. Dem Oberstleutnant war Ende Januar vergangenen Jahres vom Kommandeur der Division Schnelle Kräfte die Ausübung des Dienstes und das Tragen der Uniform verboten worden. Der Fall hatte seinerzeit für Schlagzeilen gesorgt (JF 8/19). „‘Reichsbürger’-Verdacht – Bundeswehr suspendiert Elitesoldaten“, hieß es unter anderem. 

Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) warf dem Offizier, der dem KSK seit dessen Gründung 1996 angehört, vor, er sei „seit 2015 Mitglied der Facebook-Gruppe ‘Ernst von Salomon’“, deren Mitglieder Bezüge zur Identitären Bewegung (IB) aufwiesen. Auch der österreichische IB-Mann Martin Sellner sei Mitglied der Gruppe. Daneben solle der Soldat „zahlreiche Beiträge und Fotos von Personen und Organisationen der sogenannten Neuen Rechten, u.a. JUNGE FREIHEIT, Ein Prozent – für unser Land, Bibliothek des Konservatismus, Akif Pirincci kommentiert und geliked haben“.

Verfasser der Beschwerde berät den Chef des Stabes

Was derweil für keine Schlagzeilen sorgte: Das zuständige Truppendienstgericht Süd in Koblenz hat jüngst in einem Beschluß – also einem Urteil, dem keine mündliche Verhandlung vorausging – entschieden, daß das gegen den Offizier verhängte Verbot, den Dienst auszuüben und die Uniform zu tragen, rechtswidrig und somit aufzuheben ist. „Alleine die Zugehörigkeit zu einer öffentlichen Facebook-Gruppe sagt für sich genommen nichts über die politische Grundhaltung einzelner Mitglieder aus“, stellten die Richter fest. Anders als die Nachrichtendienstler bemerkte das Gericht auch, daß der betroffene Soldat keineswegs Beiträge „geliked“ hatte, wenn dort „Gefällt mir“ steht, sondern daß dies nur das Angebot von Facebook ausdrückt, ein „Like“ zu setzen. Vielmehr sei der Offizier „passiv“ in der Gruppe gewesen. Die junge freiheit oder die Bibliothek des Konservatismus ließen zwar, so die Richter, „insgesamt eine Einordnung in das rechte politische Spektrum zu, mehr jedoch nicht.“ Auch habe der Offizier mit kritischen Kommentaren zur Asylpolitik „nicht die einem Soldaten gesetzten Schranken der Meinungsfreiheit überschritten“ und mit seinen zwar „scharfen plakativen und einseitigen Äußerungen objektiv auch nicht das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt“.

Unterdessen teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministerium mit, die Ministerin goutiere in so einem besonderen Fall, daß sich der Hauptmann unabhängig von Meldewegen, Verfahren und Regeln mit seinem Beschwerdebrief direkt an sie gewendet habe. Die Ministerin finde es gut, „daß diese Mauer des Schweigens endlich durchbrochen wird und Risse zeigt“. Bestätigt wurde auch, daß der Offizier nun zum Chef des Stabes versetzt wurde, um „dort mit seinen Erkenntnissen und Informationen dazu beizutragen, die Reformen voranzutreiben und er seinen Kommandeur dabei unterstützen soll, die Arbeitsgruppe Kommando Spezialkräfte nach allen Möglichkeiten mit Informationen zu versorgen“, so die Ministeriumssprecherin. 

Für den Bundestagsabgeordneten Jan Nolte (AfD) hat das ein Geschmäckle. „Kurz nachdem das Truppendienstgericht festgestellt hat, daß die Maßnahmen gegen den ehemaligen Leiter der Ausbildung KSK rechtswidrig waren, geht dieser Brief im Verteidigungsministerium ein“, bemerkte er gegenüber der JF. Der Verfasser des Briefes werde, „ohne daß man in der Kürze der Zeit seine Vorwürfe hätte verifizieren können, direkt damit beauftragt, Strategien gegen Rechtsextremismus im KSK zu erarbeiten“. Für das Verteidigungsausschuß-Mitglied ist schwer nachvollziehbar, „warum dieser Soldat offenbar auf Anhieb mehr Vertrauen genießt, als viele langjährige Stammsoldaten“.