© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Kommune 2.0 – auf Staatskosten
Stiftung: Sponsert Berlins Stadtsäckel mit Steuergeld das private Projekt eines grünen Stadtrats in Kreuzberg?
Peter Möller

Das Vorhaben klingt edel und gut: Eine neue Stiftung, die „Stadtbodenstiftung“, soll künftig in Berlin Grundstücke und Wohnhäuser kaufen, um einkommensschwachen Menschen bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ein Plan, der angesichts der Wohnungsknappheit in Berlin und der damit einhergehenden dramatischen Mietsteigerungen der vergangenen Jahre durchaus nachvollziehbar erscheint.

Doch was auf den ersten Blick als charmanter Versuch erscheint, die Auswüchse auf dem stark unter Druck stehenden Wohnungsmarkt mit einer neuen innovativen Idee abzumildern, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als ein weiterer ideologisch motivierter Versuch linker Kräfte, die Eigentumsverhältnisse auf dem Berliner Immobilienmarkt grundlegend umzugestalten: Weg vom privaten Wohnungseigentum hin zur gemeinschaftlichen also in letzter Konsequenz staatlich beziehungsweise halbstaatlich gelenkten Wohnraumbewirtschaftung.

Kritiker wittert Täuschungsversuch

Es überrascht daher nicht, daß auch der mittlerweile berühmt-berüchtigte Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), der sich selbst gerne trotz seines öffentlichen Amtes als „Stadtaktivist“ bezeichnet, bei der Stadtbodenstiftung ein gewichtiges Wort mitzureden hat und zu den Initiatoren gehört. Schmidt, der durch seinen mit Pollern und Parkraumvernichtung rücksichtslos geführten Kampf gegen den Autoverkehr bekannt geworden ist (JF 35/19), hat sich auf die Fahne geschrieben, die Hälfte des Wohnungsbestandes in Friedrichshain-Kreuzberg in „gemeinwohlorientierte“, also nicht private Trägerschaft zu überführen. Ein Mittel, um dieses Vorhaben umzusetzen, ist dabei das sogenannte Vorkaufsrecht, das den Berliner Bezirken die Möglichkeit gibt, privaten Kauf-interessenten zum Verkauf stehende Wohngebäude wegzuschnappen und beispielsweise an Genossenschaften zu übertragen.  

Künftig könnte auch die derzeit noch in Gründung befindliche „Stadtbodenstiftung“, die in diesem Sommer rechtsfähig werden soll, zu den Nutznießern dieser Bevorzugung nichtkommerzieller Immobilienkäufer zählen. „Ziel unserer Initiative ist es, einen Gegenpol zur Spekulationsspirale in Berlin zu setzen, indem Grund und Boden dem profitorientierten Markt entzogen und für eine gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung gesichert werden“, heißt es auf der Internetseite der Stiftung. So solle das erhalten bleiben oder geschaffen werden, was in den jeweiligen Nachbar­schaften gebraucht werde: günstiger Wohnraum, gewerbliche, soziale oder kulturelle Nutzungen – von Nachbarschaftszentren über Gewerbehöfe bis zu Gemeinschaftsgärten. Doch der neue Vorstoß hat die Kritiker auf den Plan gerufen. Die Haushaltsexpertin der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Sibylle Meister, warnte im Tagesspiegel vor einem „weiteren Steuergeldverschwendungssumpf für Klientelprojekte“. Intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat sich ein Blog namens „Stadtvermieter“. In einem langen Artikel arbeitet der Betreiber der Internetseite, laut taz „ein Münchner Jurist mit Mietshaus in der Kölner Innenstadt“, die Hintergründe und das Geflecht von Initiativen und Personen rund um Florian Schmidt und die undurchsichtige Stiftungsgründung detailliert auf. Pikant: Der Blogger ist nach eigenen Angaben selbst Mitglied der Grünen.

Er wirft Schmidt unter anderem vor, mit der Stiftung einen „Etikettenschwindel“ zu betreiben, denn bei der Stadtbodenstiftung handele es sich um eine private Stiftung, die, anders als ihr Name nahelege, mit der Stadt und irgendwelchen Behörden nichts zu tun habe. „Das einzige, was die Stadt Berlin und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit der Sache zu tun haben, ist, daß sie Herrn Schmidts privates Projekt mit Geld versorgen“, heißt es beim „Stadtvermieter“. Die Stiftung sei ein rein privates Projekt, das der Bezirksbaurat mit dem Vertrauen und der Autorität seines Amts aufwerte, um damit an der demokratischen Kontrolle vorbei Stadtpolitik zu betreiben.

Zudem wirft der Blogger Schmidt vor, die Öffentlichkeit über den eigentlichen Stiftungszweck im unklaren zu lassen. Denn laut Satzung diene diese unter anderem der Förderung „des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ sowie der „Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte und für Flüchtlinge“. Der Kauf von Grundstücken und Wohnungen taucht als Stiftungszweck hingegen überhaupt nicht auf. Erst bei den Maßnahmen, mit denen der Stiftungszweck verwirklicht werden solle, sei die Rede von der „Entwicklung und Förderung von Vorhaben, die dauerhaft bezahlbare Räume für Wohnen, Gewerbe, soziale und nachbarschaftliche Nutzungen herstellen“. Für den „Stadtvermieter“ läßt das nur einen Schluß zu: „Entweder soll die Öffentlichkeit über die wahre Natur der Stiftung getäuscht werden. Oder aber Herr Schmidt möchte die Finanzbehörden darüber täuschen, welche Zwecke diese ‘Stiftung’ wirklich verfolgt“, lautet der Vorwurf.

Mittlerweile sind laut Tagesspiegel bereits erste öffentliche Mittel für die „Stadtbodenstiftung“ in den Landeshaushalt eingestellt. Und ausgerechnet Friedrichshain-Kreuzberg habe eine Machbarkeitsstudie mit 60.000 Euro finanziert. Es sieht also ganz danach aus, als ob sich die enge personelle Verflechtung der Stiftung mit dem Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg im wahrsten Sinne des Wortes auszahlt.