© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Ländersache: Sachsen
Keine Handbreit Wasser unterm Kiel
Paul Leonhard

Die Sächsische Dampfschiffahrtsgesellschaft hat Insolvenz angemeldet. Wieder einmal ist dem Unternehmen das Geld ausgegangen (JF 33/19). Die Dresdner haben sich längst daran gewöhnt, daß die Reederei entweder über Hoch- oder Niedrigwasser klagt, über ausbleibende Touristen stöhnt und mit der Pleite droht. Für Einheimische, zumal mit Kindern, haben die Fahrpreise ohnehin eine Höhe erreicht, daß sie auf eine Fahrt verzichten und den Dampfern lieber vom Ufer aus zuwinken.

Diesmal liegt die finanzielle Schieflage, so steht es im Schreiben der Geschäftführung an die Anteilseigner, an der Corona-Pandemie. Angesichts der Sicherheits- und Hygienebestimmungen bestehe „keine Aussicht, die bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen“.

Die Dresdner Weiße Flotte ist zwar die älteste (gegründet 1836) und größte Raddampferflotte der Welt, so richtig lukrativ war das Betreiben von Flußpassagierschiffen auf der Oberelbe aber noch nie. Das beweist ein Blick in die Geschichte. Immer wieder mußten Schiffe verkauft werden, gaben Eigentümer auf. In einem ruhigen Fahrwasser fuhren die inzwischen historischen Schaufelraddampfer lediglich zu DDR-Zeiten, weil der Staat das Unternehmen subventionierte. Nach dem Verkauf der „volkseigenen“ Oldtimer durch die Treuhand an private Investoren, mehr als 400 Anteilseigner zahlten rund 36 Millionen D-Mark, glaubten diese eine Goldgrube erworben zu haben. Es wurden sogar zwei Salondampfer neu gebaut.

Für die Weiße Flotte wurden es drei turbulente Jahrzehnte, insbesondere nachdem die Tschechen begannen, die Elbe anzustauen, und nach eigenem Gutdünken Wasser abließen oder nicht. 2019 zog die Geschäftsführung die Reißleine. Noch einmal rafften sich die Dresdner zu energischen Protesten auf, kämpften um ihre Schiffe, so daß der Freistaat eine Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe über zwei Millionen Euro gewährte. Die zweite Tranche wäre jetzt fällig gewesen, aber die Sächsische Aufbaubank überwies nicht. Die Reederei erfülle die „rechtlichen Voraussetzungen für weitere staatliche Beihilfen nicht“, hieß es seitens der Bank. Auch auf Corona-Soforthilfe durfte die Gesellschaft nicht hoffen, da diese nur an Firmen gezahlt wird, die vor der Pandemie nachweislich solide dastanden.

Warum der Freistaat derart mit der Flotte umgeht, ist schwer verständlich. Zumal nachdem bekannt wurde, daß Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bereits vor Wochen vorgeschlagen hat, die neun Dampfer und zwei Motorschiffe in den von Landeshauptstadt sowie drei Landkreisen finanzierten Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) einzugliedern. Dieser betreibt Bus- und Bahnlinien und ist Mehrheitseigner der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft.

Voraussetzung dafür wäre, daß der Schwerpunkt der Dampferfahrten künftig weniger auf Rundfahrten für Touristen, sondern mehr auf den Linienverkehr zwischen der Sächsischen Schweiz und Meißen ausgerichtet würde. Diesen kann es aber nur geben, wenn neue, auch bei Niedrigwasser einsetzbare Schiffe vorhanden sind. Vielleicht wird die Flotte aber auch an einen Mitbewerber verkauft, der über ausreichend Wasser verfügt. Bereits seit einiger Zeit sind in Dresden regelmäßig Ausflugsschiffe zu sehen, an denen nicht die Sachsen-Fahne weht, sondern die tschechische.