© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Ami goes home?
Abzug: Geteiltes Echo auf den Plan, die Zahl der amerikanischen Soldaten in Deutschland zu reduzieren
Peter Möller

Donald Trump meint es ernst. Am Montag sprach der amerikanische Präsident erstmals persönlich über ein Thema, das seit Tagen in Berlin für Unruhe sorgt und das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten belastet: den von Washington angekündigten Abzug eines Teils der hierzulande stationierten US-Truppen. Anfang der Woche nun bestätigte Trump, daß er die Zahl der amerikanischen Soldaten in Deutschland auf 25.000 reduzieren möchte. 

Zur Begründung verwies er unter anderem auf die angebliche Weigerung Deutschlands, die Verteidigungsausgaben auf das selbstgesteckte Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erhöhen. Aber auch die von Washington kritisierte Gas-Pipeline Nordstream 2 spielt bei der Entscheidung offenbar eine Rolle. „Warum zahlt Deutschland Rußland Milliarden Dollar für Energie, und dann sollen wir Deutschland vor Rußland schützen? Wie soll das funktionieren? Es funktioniert nicht“, sagte Trump.

Damit hat Berlin nun die Gewißheit, daß es maßgeblichen Kräften in der amerikanischen Regierung ernst damit ist, von den derzeit etwa 34.500 Soldaten in Deutschland bis zu 9.500 dauerhaft abzuziehen. Bereits nach den ersten Meldungen Anfang Juni reagierten deutsche Regierungskreise äußerst alarmiert. Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Peter Beyer (CDU), sprach davon, daß der Truppenabzug „die Säulen der transatlantischen Beziehungen erschüttern“ würde. „Das deutsch-amerikanische Verhältnis könnte von einer solchen Entscheidung des US-Präsidenten sehr stark beeinträchtigt werden.“ Zudem gehe es „nicht nur um 9.500 Soldaten, sondern auch um deren Familien, also schätzungsweise um 20.000 Amerikaner“.

Nach Ansicht des Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, könnten die Pläne zu einer „nachhaltigen Neuausrichtung der Sicherheitspolitik in Europa“ führen. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er, die strategischen Planungen der Vereinigten Staaten verlagerten sich ohnehin nach Asien. Vor diesem Hintergrund sei die Einbettung der deutschen Sicherheitspolitik in ein europäisches Umfeld noch dringender und sinnvoller.

„Leben auf Kosten der Bündnispartner“

Ein gewisses Verständnis für die Ankündigung aus Washington zeigte der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alexander Gauland. „Hintergrund von Trumps Ankündigung ist zweifelsfrei die fortgesetzte Weigerung der deutschen Regierung, endlich den in der Nato vereinbarten Zwei-Prozent-Beitrag bei den Rüstungsausgaben zu leisten. Daß Deutschland seit Jahren auf Kosten seiner Bündnispartner am Verteidigungshaushalt spart, erregt verständlicherweise Unmut“, sagte Gauland, mahnte gleichzeitig aber, man dürfe dem amerikanischen Präsidenten nicht alles durchgehen lassen. 

„Auch die Amerikaner sind Teil der Nato. Gravierende Veränderungen der Sicherheitsarchitektur Europas dürfen nicht unabgestimmt erfolgen. Das Funktionieren der Nato liegt im Interesse der Partner beiderseits des Atlantiks“, sagte er. 

Dagegen forderte der Vorsitzende der Linksfraktion Dietmar Bartsch dazu auf, den geplanten Teilabzug als Chance zu begreifen. „Die Bundesregierung sollte ihn dankend annehmen und zeitnah einen Komplettabzug der US-Soldaten mit der Trump-Administration vorbereiten. Wenn die Soldaten abgezogen werden, sollten sie gleichzeitig die US-Atombomben mitnehmen“, schrieb er auf Twitter.

Mit einer gewissen Genugtuung wurde in Berlin unterdessen registriert, daß die Abzugspläne der Trump-Regierung in den Vereinigten Staaten auf alles andere als einhellige Zustimmung stoßen. Viele Experten jenseits des Atlantiks warnen davor, ein Truppenabzug würde den Vereinigten Staaten mehr Probleme bereiten als Deutschland. „Das ist ein weiteres Eigentor des Trump-Teams“, twitterte die Ex-Sicherheitsberaterin von Vizepräsident Joe Biden, Julianne Smith. „Sie glauben irgendwie, daß sie Merkel schaden und sie für ihre Absage des G7-Gipfels bestrafen können. In Wahrheit schadet es amerikanischen Interessen und beschädigt eine kritische Beziehung weiter.“

Vor allem aus dem Militär mehrten sich in den vergangenen Tagen die kritischen Stimmen. Denn die Stützpunkte in Deutschland sind nicht nur für die Abschreckungsstrategie der Nato gegenüber Rußland wichtig, sondern auch von strategischer Bedeutung für die internationalen Einsätze der amerikanischen Armee etwa im Nahen Osten und in Afrika. Über die Luftwaffenbasis Ramstein werden beispielsweise Truppen und Nachschub in Einsatzgebiete gebracht, im größten Lazarett der amerikanischen Truppen außerhalb der Vereinigten Staaten, in Landstuhl, werden Verwundete aus Kampfeinsätzen versorgt. 

Diese militärischen Einrichtungen haben sich seit Jahrzehnten bewährt und lassen sich auch mit viel Aufwand und Geld nicht einfach von einem Land in ein anderes verschieben. Daher sollen nach den Plänen Trumps zunächst auch nur Kampftruppen abgezogen werden. Möglicherweise kehren die Einheiten aber nicht in die Vereinigten Staaten zurück, sondern werden in einem anderen europäischen Land stationiert.

Vor allem Polen hofft seit Jahren auf eine stärkere amerikanische Militärpräsenz an seiner Ostgrenze. Entsprechend positiv wurden die Abzugspläne der Amerikaner aus Deutschland an der Weichsel aufgenommen. Doch mittlerweile hat sich die Regierung in Warschau aus Rücksicht auf den westlichen Nachbarn eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. 

Vor dem Besuch von Außenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag in Warschau verdeutlichte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki, daß die von seinem Land erhoffte Aufstockung amerikanischer Truppen nicht zu Lasten Deutschlands gehen solle. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß es mit Blick auf amerikanische Truppen in der Bundesrepublik doch bald heißt: „Kaum abgezogen, schon in Polen.“