© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

CD-Kritik: Hector Berlioz – John Nelson
Höllenritt
Jens Knorr

Während Gounods Drame-lyrique „Faust“ seit langem auch auf deutschen Bühnen – nicht ganz zu Unrecht unter dem Titel „Margarethe“ – reüssiert, hat es Hector Berlioz’ Légende dramatique „La Damnation de Faust“ nach wie vor schwerer. Obwohl zeitgenössisches Regietheater dem diabolischen Wechselbalg aus Oper, Oratorium und Konzert durchaus szenisch beikommen könnte, verweist es ihn in den Konzertsaal. Im Salle Érasme, Straßburg, hat es im vorigen Jahr Dirigent John Nelson mit dem Orchestre philharmonique de Strasbourg, dem Coro Gulbenkian und  dem Straßburger Kinder-, Jugend- und Männerchor sowie Michael Spyres als Faust, Nicolas Courjal als Méphistophélès und Joyce DiDonato als Marguerite auf die Klangbühne gehoben.

Nelson behält Blick und Ohr für die offene Form der Partitur und weiß Berlioz’ Traum- und Alptraumszenerie, von Rákóczy-Marsch über die chorischen Märsche bis zu Pandæmonium und Épilogue, in dramaturgischer Folgerichtigkeit durchzuführen. Auf dem Weg zur Hölle marschieren ein liebes- und tatunfähiger Faust, Studenten und Soldaten, Freiheitskämpfer und Betrunkene, Nachbarn und Dämonen, reale und phantasmagorierte Gestalten zugleich, getrennt und zusammen in gespenstiger militärischer Gradtaktigkeit. An Gegenwelt und Vergöttlichung der Marguerite haben sie kein Teil.

Hector Berlioz La Damnation de Faust Erato 2019  www.erato.de www.philharmonique-strasbourg.com