© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Ein Katholik im Exil
Nachruf auf den Theologen Klaus Berger
Gernot Facius

Ein gotischer Kelch auf seinem Schreibtisch erinnerte daran, daß Klaus Berger gerne Priester geworden wäre. Aber der Weg zur Weihe wurde ihm versperrt, weil er im Studium wissenschaftliche Positionen vertrat, die die katholische Kirche lange nicht hören wollte. Heute ist sein Hinweis, daß Jesus Jude war und nie etwas anderes wollte, als das jüdische Gesetz zu erfüllen, ein Gemeinplatz im theologischen Proseminar.

Aber für Berger kam diese Einsicht zu spät. Jahrzehntelang lebte der Neutestamentler eine „ökumenische Existenz“ an protestantischen Fakultäten, zuerst an der reformierten im holländischen Leiden, seit 1974 bis zur Emeritierung 2006 an der evangelischen in Heidelberg: juristisch zwar Mitglied der evangelischen Kirche, aber weiter „mit Freuden katholisch“– nach eigener Einschätzung ein „konfessionskundliches Wundertier“.

Er warnte oft vor Säkularisierung

Der „Katholik im Exil“, Autor von mehr als 70 Büchern, 60fache Doktorvater, mit den nach strengen Regeln lebenden Zisterziensern verbunden und mehrfach geschätzter Interviewpartner der JUNGEN FREIHEIT, verortete sich im konservativen Spektrum der Katholiken; er warnte immer wieder vor Säkularisierung und vor Anpassung an den Zeitgeist. Als Skandal empfand Berger nicht nur die Kirchenspaltung. „Der größere Skandal ist, daß Christen sich quer durch alle Konfessionen damit abgefunden haben.“ Das bequeme Sich-Einrichten im konfessionellen Establishment sei sündiges Verharren im Verrat an Jesu. „Glaubensspaltung ist Gottesverrat“ – so der Titel eines seiner Bücher.

Man habe die Heilige Schrift zu einem willfährigen Steinbruch gemacht, schrieb er im Blick auf die Karriere der historisch-kritischen Bibelauslegung. Und modernistische Tendenzen im Katholizismus kommentierte Berger mit Spott: Vulgärer Modernismus sei die Weise, in der das Zweite Vatikanische Konzil vielfach mißverstanden worden sei und „mit der Erlaubnis zur theologischen Dummheit verwechselt wurde: kein Latein mehr, keine Kirchengeschichte mehr, keine Dogmen mehr, leider sehr oft nur noch Kindergarten für Erwachsene“. Berger sprach in diesem Kontext von „geistlicher Heimatlosigkeit“.

Klaus Berger, 1940 in Hildesheim geboren, starb am 8. Juni in Heidelberg an seinem Schreibtisch. Er arbeitete gerade an einem Buch über Joachim von Fiore, einem kalabrischen Abt im 12. Jahrhundert, der mit seiner „Dreizeitenlehre“ in die Theologiegeschichte eingegangen ist.