© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

In US-Medien herrscht „Bürgerkrieg“
Unliebsame Beiträge: Bei der „New York Times“ und Facebook haben Proteste linker Mitarbeiter Erfolg
Gil Barkei

Die gewaltsamen Proteste in den Vereinigten Staaten und die Berichterstattung darüber haben einen Streit in der US-Medienbranche über journalistische Werte ausgelöst, in dessen Zuge sich der Meinungskorridor weiter verengt. Weil zahlreiche Kollegen in einer Petition und auf Online-Plattformen gegen die Veröffentlichung eines Gastkommentars protestiert hatten, kündigte bei der New York Times (NYT) der Chef der Meinungsseite, James Bennet. Unter der Überschrift „Schickt die Truppen rein“ („Send in the Troops“) war der republikanische Senator Tom Cotton US-Präsident Donald Trump zur Seite gesprungen, der angesichts anhaltender Ausschreitungen mit einem Militäreinsatz gedroht hatte. Cotton schrieb unter anderem: „Vor allem eines wird die Ordnung auf unseren Straßen wieder herstellen: eine überwältigende Machtdemonstration, um Gesetzesbrecher zu vertreiben, festzunehmen und schließlich abzuschrecken.“

In einer Erklärung des linksliberalen Blattes hieß es, der Text habe nicht den Standards der Zeitung entsprochen und sei nur wegen eines „überstürzten redaktionellen Prozesses“ in den Druck gegangen. Rückendeckung für Bennet von Verleger Arthur Gregg Sulzberger? Fehlanzeige! Dieser sprach von einer „bedeutsamen Panne“ in den internen Abläufen und dankte Bennet abgedroschen für dessen Leistung seit Mai 2016. Die Nachfolge übernimmt nun die Journalistin Katie Kingsbury.

Junge „Wokes“ gegen alte Liberale

Deutlicher wird dagegen die NYT-Redakteurin Bari Weiss. Auf Twitter spricht sie von einem „civil war“ bei ihrer Zeitung zwischen „den meist jüngeren ‘wokes’“ (soviel wie „Erwachte“ oder „Wachsame“, die höhere ideologische Ziele verfolgen) und „den älteren (meist 40+) Liberalen“. Eine „Dynamik“, die in „anderen Publikationen und Unternehmen“ im ganzen Land zu beobachten sei. Der Chefredakteur des US-Debattenmagazins The National Interest, Jacob Heilbrunn, bestätigt Weiss’ Einschätzung im Interview mit dem Tagesspiegel: „Wir erleben einen Krieg der Generationen. Die jüngeren Zeitungs-Kollegen haben andere Werte als die älteren. Objektivität und Pluralismus gelten nicht mehr als oberste Ziele. Nur was ‘wahr’ ist, soll verbreitet werden.“

Die Posse an der US-Ostküste ging selbst einigen deutschen Journalisten zu weit. „Diesmal hat die Times Trump einen Beweis in die Hände gespielt: Dafür nämlich, wie voreingenommen auch liberale Medien sind. Die geschätzte New York Times hat damit all ihren Bewunderern eine Ohrfeige gegeben“, schrieb Antje Passenheim auf der Netzseite des Deutschlandfunks. Daß der Generationenkonflikt längst auch in Deutschland existiert, verdeutlicht der Spiegel. „Die Zeit der Neutralität ist vorbei“, schreibt dort Philipp Oehmke mit Blick auf die Times und den „Ausgewogenheitszwang“. „Neutralitätsjournalismus“ funktioniere angesichts der Lügen Trumps nicht mehr. Vielmehr wirke er „nicht nur uninteressant und unaufrichtig“, sondern versage „vor allem in seinem Auftrag als ‘vierte Gewalt’“. Statt „vorgetäuschter Objektivität“ brauche „moderner Journalismus“ klare „moralische Ansagen“.

Der „Bürgerkrieg“ in den Medienhäusern hat längst auch die sozialen Netzwerke erreicht. Als Twitter den Trump-Post „Wenn das Plündern beginnt, beginnt das Schießen“ als „gewaltverherrlichend“ markierte, betonte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg noch, „soviel Meinungsäußerung wie möglich zu ermöglichen“ und ließ Trumps Beitrag auf Facebook unberührt (JF 24/20). Angesichts heftiger Mitarbeiterproteste – Programmierer Timothy Aveni und Manager Owen Anderson kündigten sogar – rudert Zuckerberg nun zurück. 

In einem Beitrag auf seinem Profil zeigte er Einsicht dafür, daß seine Entscheidung viele „Mitglieder unserer Gemeinschaft enttäuscht und verletzt“ hätte. Basierend auf dem „Feedback von Mitarbeitern und Menschenrechtsexperten“ werde Facebook daher seine Richtlinien zu „staatlichen Gewaltandrohungen“, „verletzenden Inhalten“ und „Wähler-Beeinflussungen“ überprüfen sowie mehr Transparenz, Vielfalt und Inklusion bei Entscheidungsprozessen etablieren. Doch schon vorher löschten Facebook und Instagram über 190 Profile mit vermeintlichen Bezügen zu den patriotischen US-Gruppierungen „Proud Boys“ und „American Guard“, weil diese Unterstützer dazu aufgerufen hätten, mit Waffen an Antirassismus-Protesten teilzunehmen. 

Auch in Europa werden die Medien nervöser angesichts der „Black Lives Matter“-Revolte. Auf der britischen Isle of Man wurde der Radiomoderator Stu Peters suspendiert. In einem Online-Forum hatte er den Satz „All lives matter“ hinterlassen. Daran störte sich während Peters Sendung „Late, Live and Unleashed“ ein schwarzer Anrufer, worauf Peters entgegnete: „Ich war nicht privilegierter in meinem Leben als Sie.“ Der Lokalsender Manx Radio stellte klar, man billige „keinen Rassismus irgendeiner Form unter seinen Angestellten“.