© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/20 / 19. Juni 2020

Dystopie der multikulturellen Zukunft
Das Videospiel „Cyberpunk 2077“ weckt Assoziationen zu den Unruhen in den Vereinigten Staaten
Ferdinand Vogel

Die USA, seit Jahrhunderten ein Schmelztiegel der Ethnien, Religionen und Kulturen, liefern derzeit Beispiele für Samuel Huntingtons Ansatz eines „Clash of Civilizations“: Die Konflikte auf der Welt werden durch die zunehmende Globalisierung und Mobilität der Menschen eher zu als abnehmen. Nicht nur an den Grenzen zwischen den Nationen, sondern auch innerhalb von Gesellschaften, die immer diverser und gespaltener werden. 

Stoff, der sich fast vorherseherisch auch in der Games-Branche wiederfindet. Die polnischen Entwickler von CD Projekt RED, verantwortlich für die beliebte Computerspielreihe „Witcher“, die auf den erfolgreichen Büchern Andrzej Sapkowskis basiert, arbeiten derzeit an dem für September angekündigten First-Person-Action-Rollenspiel „Cyberpunk 2077“. 

Das Videospiel, dessen Trailersequenzen von der Internetgemeinschaft bereits satirisch in Memes für die Unruhen in den USA zweckentfremdet wurden, dreht sich um „Night City“: eine sogenannte Megastadt, die sich im Jahr 2077 über nahezu ganz Kalifornien erstreckt und die Heimat von unzähligen Millionen Menschen unterschiedlichster Herkunft geworden ist. In der von Gigantismus, Neonlichtern und Beton dominierten, nicht allzu fernen Zukunft gibt es zwar „Eurodollars“, aber keinen Frieden. Die sechs Regionen der Makrometropole werden von rivalisierenden Banden, ethnisch und kulturell verschiedenen Clans sowie großen Firmen kontrolliert, die ähnlich wie Google durch ihre Monopolstellung auf dem Markt mächtiger geworden sind als viele Staaten oder regionale Regierungen. 

Dreck, Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Gewaltkriminalität beherrschen „Night City“, durch die der Spieler die Figur „V“ – einen vom Geschlecht bis zur Haarfarbe modifizierbaren Söldner – von Mission zu Mission steuert. Wenn der Staat in Erscheinung tritt, dann meist nur noch als Militärmacht, die versucht die schlimmsten Auswüchse des Multikulturalismus und der Kriminalität einzudämmen.

Die aktuelle amerikanische Gesellschaft befindet sich, angetrieben von linker Identitätspolitik, auf dem besten Weg in eben jene totale Tribalisierung. Die Bilder von brennenden Straßenzügen, von qualmenden Autowracks auf mit Patronenhülsen bedeckten Straßen und von schreienden, brutalen Menschenmobs könnten aus einer dystopischen Spielfiktion stammen – sie sind jedoch schon heute bittere Realität.