© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Der Feind steht nur rechts
Extremismus I: Der Antrag zur Prüfung eines Antifa-Verbots trifft im Bundestag auf Ablehnung / Gesetz gegen Haßkriminalität beschlossen
Peter Möller

Wer in der vergangenen Woche nur einen flüchtigen Blick auf die Debatten des Bundestages geworfen hat, konnte den Eindruck gewinnen, daß sich die Parlamentarier in seltener Einmütigkeit mit politischem Extremismus jeglicher Couleur beschäftigt haben. Denn zum einen stand der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur besseren Bekämpfung von Rechtsextremismus und Haßkriminalität auf der Tagesordnung, zum anderen verhandelte das Parlament über Anträge der AfD für ein deutschlandweites Verbot beziehungsweise eine Ächtung der linksextremistischen „Antifa“. Doch ein genauerer Blick auf das Geschehen zeigt schnell, daß sich die Parteien alles andere als einig waren. Beide Vorstöße stießen im Bundestag auf teilweise entschiedenen Widerstand.

Ziel des mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossenen Gesetzesvorstoßes von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ist es, Fälle von „Haß und Hetze“ im Internet und in den sozialen Medien künftig härter zu bestrafen (JF 42/19). So gilt nun bereits die Androhung von Körperverletzungen und sexuellen Übergriffen als Straftat, bisher war dies nur bei Morddrohungen der Fall. Künftig können so Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren verhängt werden.

„Aus Worten im Internet werden schnell Taten“

Zur Begründung sagte Lambrecht, wer hetze und drohe, müsse mit Anklagen und Verurteilungen rechnen: „Das sind entschlossene Schritte gegen Menschen- und Demokratiefeinde, die ein gefährliches Klima der Gewalt schüren.“ Das Gesetz diene dem Schutz aller Menschen, die von Rassisten und Rechtsextremisten bedroht und diffamiert würden. Als Anlaß für die Gesetzesverschärfung gilt der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) Anfang Juni 2019 sowie die Morde in Hanau und der versuchte Anschlag auf eine Synagoge in Halle. Nach Ansicht von Lambrecht zeigten diese Taten, daß „aus Worten im Internet schnell Taten“ werden könnten.

Die Opposition kritisierte den Vorstoß aus unterschiedlichen Motiven. Während die AfD die Meinungsfreiheit durch die neuen Maßnahmen bedroht sieht, verwiesen FDP, Grüne und Linkspartei vor allem auf datenschutzrechtliche Bedenken. Auf Kritik stieß unter anderem, daß große Internetdienstleister und Netzwerke wie Facebook und Twitter beanstandungswürdige Posts künftig nicht nur löschen, sondern die dazugehörigen Benutzerdaten wie die IP-Nummer ohne rechtliche Prüfung an das Bundeskriminalamt weiterleiten müßten. Ziel sei es, laut Lambrecht, die Urheber von Haßkommentaren im Netz schnell zu finden und strafrechtlich zu verfolgen.

Auch beim zweiten Thema, das sich gegen extremistische Bestrebungen richtete, verlief die Debatte äußerst kontrovers. Vor dem Hintergrund der Ausschreitungen in den Vereinigten Staaten und der Ankündigung von Präsident Donald Trump, die Antifa zur Terror-Organisation zu erklären, hatte die AfD-Fraktion erneut einen Antrag eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, ein deutschlandweites Verbot der Antifa zu prüfen. Entsprechende Gruppierungen, die in mehreren Bundesländern aktiv seien und deren Bestrebungen sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten, sollten nach den Vorstellungen der AfD-Fraktion über das Vereinsgesetz verboten werden.

Gleichzeitig solle die Bundesregierung auf die Landesregierungen einwirken, daß diese die Möglichkeiten prüfen, lokale Antifa-Gruppen ebenfalls über das Vereinsrecht zu verbieten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz müsse zudem eine Liste aller Personen der linksextremen Szene erstellen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpften oder sonstige Straftaten begingen.

In der Debatte traten die typischen Konfliktlinien zutage, die immer dann aufbrechen, wenn es um den Zusammenhang zwischen Antifaschismus und Linksextremismus geht. Während die einen die Antifa vor allem als schlagkräftige und gefährliche linksextremistische Terrororganisation begreifen, sehen die anderen im Antifaschismus stattdessen eine quasi parteiübergreifende Geisteshaltung, der sich alle wahren Demokraten verpflichtet fühlen müßten.

Auch der AfD-Abgeordnete Jens Maier wies in seiner Rede auf das Problem der genauen Begriffsdefinierung hin: „Antifa – was ist das? Es ergibt sich ein diffuses Bild verschiedener, eher locker verbundener Gruppen mit unterschiedlicher Intensität an Gewaltbereitschaft“, sagte er. „Neben ungefährlich operierenden, ideologisch verstrahlten Spinnern oder vom Weltschmerz geplagten Jugendlichen existieren im Antifamilieu straff organisierte Schlägerbanden, die minutiös geplante Anschläge ausführen und es häufig schaffen, mittelbar über öffentliche Gelder finanziert zu werden; das ist besonders skandalös.“

Antifaschisten seien ganz automatisch Demokraten

Für die SPD-Fraktion machte der Abgeordnete Uli Grötsch dagegen die auf der Linken verbreitete Auffassung deutlich, alle Antifaschisten seien ganz automatisch Demokraten, „weil sie sich gegen Faschismus wenden und weil sie für Demokratie und Freiheit kämpfen“. Die Linkspartei folgte dieser Interpretation und stellte die Existenz einer „Antifa“ im Sinne des AfD-Antrages gleich ganz in Abrede. „Die Antifa, die Sie verbieten wollen, gibt es als Organisation gar nicht, weshalb man sie auch nicht verbieten kann. In Wirklichkeit meinen Sie mit Antifa womöglich alles, was hier im Hause links von Ihnen sitzt plus die öffentlich-rechtlichen Medien“, sagte Martina Renner (Linke). 

Auch von seiten der Union erhielt die Forderung nach einem Verbot von Antifa-Gruppierungen keine Unterstützung. „Wir als Große Koalition bekämpfen die Antifa genauso hart wie islamistische Terroristen und natürlich auch die Gefahren von rechts“, begründete Marian Wendt (CDU) die Ablehnung des AfD-Vorstoßes durch die CDU/CSU-Fraktion.