© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Amthor und der Allerwerteste
Lobbyismus-Vorwürfe: Der junge Hoffnungsträger vieler Konservativer in der Union muß seinen Plan aufgeben, Landesvorsitzender im Nordosten zu werden
Paul Leonhard

Der neue starke Mann der Nordost-CDU ist 47 Jahre alt, heißt Michael Sack und ist ein mit den Mühen der Ebene vertrauter Politiker, zur Zeit Landrat von Vorpommern-Greifswald, Vater dreier Kinder und bundespolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Noch ist er nicht Landesvorsitzender, aber er ist der einzige Kandidat, seit der 20 Jahre jüngere Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der bisherige Hoffnungsträger der Union in Mecklenburg-Vorpommern, hingeschmissen hat. Und das, obwohl ihn Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gerade noch in Schutz nahm: „Ich kann bisher aus den Veröffentlichungen überhaupt nicht erkennen, daß er sich an irgendeine der geltenden Regelungen nicht gehalten hat.“

Tatsächlich hat Amthor all das offiziell der Bundestagsverwaltung angegeben, aus dem ein Hamburger Nachrichtenmagazin einen Skandal konstruiert hat: seine Tätigkeit und Lobbyarbeit für eine Wirtschaftskanzlei und für ein US-Start-up. Wenn Amthor jetzt seinen Rücktritt damit begründet, daß er für die Partei nicht zur Belastung werden wolle, stapelt er zu tief. Denn das Scheinwerferlicht, mit dem die Medien ohne Kandidaturverzicht weiterhin Amthor ausgeleuchtet hätten, mißfällt der Politkaste. Ganz andere Persönlichkeiten drohten plötzlich vom Licht erfaßt zu werden, auf allen Ebenen. 

Gefährliche Worte sind aufgetaucht: Transparenz und Lobbyregister. Amthor, von dem Vertraute sagen, er habe am vergangenen Freitag, als der CDU-Landesvorstand tagte, noch kämpfen und an seiner Kandidatur für den Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern festhalten wollen, hat gekuscht. Vielleicht hat ihm Friedrich Merz dazu geraten, der sagte, Amthor habe einfach Mist gebaut, oder sein parteiinterner Widersacher Eckhardt Rehberg, der laut FAZ die Sorge hatte, „daß die Affäre sich noch lange hinziehen könnte, daß es offene Fragen gebe und womöglich noch mehr herauskommen könnte“.

Im ihm wohlvertrauten offiziellen Politikdeutsch hat „Fips“, wie er von manchen in der CDU despektierlich genannt wird, seine „persönlichen Ziele hinter das Wohl der Partei“ gestellt, weswegen er sich „heute trotz der überragenden Unterstützung entschieden“ habe, nicht mehr für das Amt des Landesvorsitzenden zur Verfügung zu stehen. Dieser Verzicht, hieß es sogleich aus dem Konrad-Adenauer-Haus, werde „mit Respekt in der CDU-Spitze zur Kenntnis genommen“. Übersetzt: Amthor hat von seinen Parteifreunden einen Tritt in den Allerwertesten bekommen. Egal, ob der „Frühverglühte mit der zweiten Chance“ (Cicero) in ein, zwei oder drei Jahren neu durchstarten darf, die etablierte Politik schuldet ihm Dank. Sein Verzicht erspart die mißliebige Diskussion darüber, warum so viele Berufspolitiker üppige Zusatzeinkommen requirieren und nach skandalbedingten Rücktritten oder Wahlniederlagen entweder in die „freie Wirtschaft“ wechseln oder als gut bezahlte Vorstände in Stiftungen und Verbände.