© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

„Seit ‘Black Lives Matter’ wird es schwieriger“
Polizeialltag: Haß und Gewalt gegen Einsatzbeamte werden begünstigt durch mangelnden Rückhalt von Polizeiführung und Politik
Martina Meckelein

Ein Satz voller Empörung: „Die Jagdsaison ist eröffnet, und es dürfen alle Hemmungen fallengelassen werden, und jedwedem Haß und jedem Vorurteil gegen Kolleginnen und Kollegen wird freier Lauf gelassen!“ Das Schreiben stammt von der Hamburger Sektion der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). In Leipzig-Connewitz greifen Linksextremisten Beamte mit Molotow-Cocktails an, treten sie zusammen. In Berlin ist die Sonnenallee eine Enklave von Araber-Clans. Hier herrscht die Scharia und nicht das Strafgesetzbuch. In Göttingen werfen in einem unter Quarantäne stehenden Hochhaus Bewohner Eisenstangen auf Polizisten. Politik und Presse stellen Beamte abwechselnd als Weicheier, Rassisten oder Schläger dar. Welches Kalkül steckt hinter diesem medial orchestrierten Haß auf 250.000 Polizisten, die unser Land doch sicherer machen sollen? Und was denken eigentlich Polizeibeamte über die Diskussion?

„Da gibt es Kollegen, denen ist es egal, die sind unpolitisch, machen ihren Dienst und gut ist“, sagt ein Beamter aus Niedersachsen gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Andere sind aufgrund ihrer Berufserfahrung Fatalisten geworden, die erwarten nichts mehr von Politikern und von Journalisten sowieso nichts, und dann gibt es eine dritte Gruppe, da ziehen die Kollegen den Kopf ein, weil sie verheiratet sind, eine Familie ernähren müssen, gerade ein Haus bauen und deshalb eine Menge Schulden an der Backe haben, die sagen ebenfalls nichts, jedenfalls niemals etwas in der Öffentlichkeit.“ Intern sieht es allerdings schon anders aus. „Wir nehmen natürlich einen Erosionsprozeß im Vertrauen der Vorgesetzten und der ministerialen Ebene uns gegenüber wahr, und darüber sprechen wir auch.“

Polizei unter Druck und Verdacht

Das fehlende Vertrauen zeigt sich an den in den vergangenen Jahren installierten Kontrollmechanismen. In Nieder­sachsen regiert eine rot-schwarze Landesregierung, Stephan Weil (SPD) ist Ministerpräsident, Boris Pistorius (SPD), Lebensgefährte der Ex-Kanzler-Gattin Doris Schröder-Köpf, ist seit 2013 Innenminister. „Pistorius gibt nach außen den starken, zähen Mann, aber wir erleben immer wieder, daß er nach innen durchaus auf der Schröder-Köpf-Linie schwimmt.“ So wurde in Niedersachsen am 1. Juli 2014 eine Beschwerdestelle im Innenministerium installiert. Bürger können sich dort anonym hinwenden. „Die Idee stammt von den Grünen“, sagt der Beamte.

Ein anderes Beispiel ist die Kennzeichnungspflicht, das Tragen der Nummernschilder, das Beamte identifizierbar macht. In Hamburg sind geschlossene Einheiten dazu verpflichtet, Nordrhein-Westfalen hat es wieder abgeschafft. Vorläufiger Höhepunkt des Vertrauensverlustes, den die Politik gegenüber ihren Beamten demonstriert, ist das Antidiskriminierungsgesetz (LADG) in Berlin. Es soll Menschen vor „Diskriminierung“ wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung seitens der Polizei schützen. Wobei die Beweislast umgekehrt ist: Der Anzeigeerstatter muß nicht nachweisen, daß er diskriminiert wurde, sondern der Beamte muß nachweisen, daß er nicht diskriminierte. Die Innenminister der meisten anderen Bundesländer laufen Sturm, drohen, Polizeibeamte nicht mehr bei Großlagen in die Bundeshauptstadt zu entsenden. Jetzt gilt das Berliner Gesetz ausschließlich für Berliner Beamte.

Das „Polizeiliche Gegenüber“ ist sich der aktuellen Gesetzgebung bewußt. „Sprüche wie ‘Motherfucker’, ‘Ich ficke deine Schwester’, ‘Arschloch’, ‘Wichser’, ‘Hurensohn’ sind schon normal“, schildert ein Schutzpolizist aus Berlin gegenüber der JF seinen Arbeitsalltag. „Es kommt gar nicht so selten vor, daß die Leute im Gewahrsam treten, spucken und um sich schlagen, verletzte Kollegen sind keine Seltenheit. Zwei- bis dreimal im Monat müssen wir hier Zwang einsetzen. Vielfach sind es Drogenhändler, wir nennen sie ‘Apotheker’, von der Warschauer Brücke oder dem Görlitzer Park. Vor kurzem hatten wir hier einen Farbigen, der sich weigerte, daß ihm Fingerabdrücke genommen werden. Vier Kollegen brauchten zehn Minuten, bis die ID-Behandlung vorgenommen werden konnte. Seit der ‘Black Lives Matter’-Kampagne, rund seit vier Wochen, wird es noch schwieriger, weil die Leute bei Festnahmen sofort behaupten, es handele sich um reinen Rassismus, und wenn diese Karte nicht sticht, dann kommt der Sexismusvorwurf.“

Doch warum wird die Polizei von der Politik so unter Druck gesetzt? „Es betrifft nicht nur uns, auch die Bundeswehr“, sagt der niedersächsische Beamte. „So werden die kontrolliert, die die Kontrolle über die Waffen haben.“