© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Grüße aus Peking
Lächelnde Asiaten
Elke Lau

Der Platz des Himmlischen Friedens ist ein Muß für China-Touristen: An seiner Nordseite steht das namensgebende Tor, hinter dem sich der Kaiserpalast – die „Verbotene Stadt“ – anschließt. Westlich steht seit 1959 die „Halle des Volkes“, östlich das Nationalmuseum. Am südlichen Ende findet sich das Mao-Mausoleum. Der Tiananmen-Platz dazwischen kann eine Million Menschen aufnehmen, er ist wie der Berliner Alexanderplatz und fünfmal so groß wie die Place de la Concorde in Paris. Bei unserem letzten Besuch hier war dieser riesige Platz frei zugänglich. Heute wimmelt es hier von Polizei und Militär. Unübersichtliche Menschenmassen schieben sich durch Absperrungen und Sicherheitsschleusen. Akribische Taschenkontrollen und Hitze würden wir noch klaglos überstehen, aber zunehmend geht uns der chinesische Stadtführer mit seinen ätzenden Sprüchen auf den Zünder.

„Schon im Jahre 2030 wird die Schweiz chinesisch sein und 2050 ganz Europa.“

Zum Schluß erzählt der Mann – groß wie ein Märklinzug-Lokführer – noch einen Witz, den wir zwar nicht verstehen, dessen Pointe uns aber die Zornesröte ins Gesicht treibt. Im Jahre 2030 werde die Schweiz chinesisch sein – und 2050 ganz Europa: Kein Trinkgeld. Nach dem Erlebten ist unsere Laune nicht die beste. Ungern geben wir zu, auf den berühmten „Hallo-Straßen“, wo einen jeder Händler anspricht, Schnäppchen erstehen zu wollen. Dafür wechseln wir reichlich Yuan ein. Temperaturbedingt verzichten wir darauf, die Plagiate anzuprobieren. Wir beschließen stattdessen, das Geld im „Paulaner“ zu verprassen. Der Biergarten ist proppevoll. Eine Gruppe chinesischer Geschäftsleute lädt uns ein, bei ihnen Platz zu nehmen, und sofort fragt ein bildhübsches Mädel im Dirndl nach unseren Wünschen. Nach tagelangem Genuß chinesischer Küche bestellen wir Leberkäse mit Kartoffelsalat und bayerisches Bier. Unsere Tischgenossen fragen uns Löcher in den Bauch und sind an allem interessiert, was deutsch ist. Im Gegenzug bringen sie uns bei, die Gesichter der Ostasiaten anhand ihrer Augenbrauen zu unterscheiden: Bei Han-Chinesen stehen sie auf 10.10 Uhr, bei Koreanern auf 9.15 und bei Japanern eher auf 8.20 Uhr. Außerdem klären sie uns über Bräuche der südlichen Chinesen aus Kanton auf.

„Die essen alles, was fliegt oder Beine hat – außer Flugzeugen, Tischen und Stühlen“, so die Hauptstädter. Und obwohl unser Verzehr an diesem Abend bescheiden zu nennen ist, reicht unser Yuan-Bestand gerade mal aus, ihn zu begleichen. Zum Glück akzeptiert der Taxifahrer auch eine fremde Währung.