© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Schönheit statt häßlicher Grobheiten
Publizistik: Das aktuelle „Cato“-Magazin widmet sich politischen Denkern und Architekturfragen
Marco F. Gallina

Schönheit wird die Welt retten. Chefredakteur Andreas Lombard entsinnt sich in Zeiten der abwechselnden Hysterien der Worte Fjodor Dostojewskis. Auf dem Cover der aktuellen Ausgabe des Cato-Magazins schwebt die engelverzierte Laterne des Berliner Stadtschlosses mit Kreuz – jedoch nicht vor klarem Himmel. Der Kondensstreifen sowie die winzige Drohne dürften manchem Leser als Gegenteil des „geheilten Himmels“ gelten, den Cato im vierten Heft dieses Jahrgangs zum Titel erhebt. Von Eskapismus in die Kunst also keine Spur: Folgerichtig eröffnet die Ausgabe mit einem großen Essay des Althistorikers Egon Flaig in „zwölf Corona-Meditationen“. 

Von Schiller über Thukydides und Boccaccio, einer metaphysischen Überlegung zur atemraubenden Mundschutzmaske und einer Betrachtung geopolitischer Zusammenhänge argumentiert der Historiker für eine Durchseuchung der Gesellschaft. „In der Tat, wer an Covid-19 stirbt, weil er sich bei einem Theaterbesuch infiziert hat, hat das ästhetische Vergnügen eines Schauspiels für so wichtig gehalten, daß er das Risiko einer Infektion in Kauf nahm. Das ist kein Leichtsinn, sondern ein Jasagen zu kulturellen Gütern.“ Angesichts einer „baudrillardesken Hyperrealität“ sei die Gesellschaft außerstande, ihre Lage zu erkennen.

Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz ordnet den „Bolschewisten-Star“ Lenin ein, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 150. Mal jährte. Der Kommunismus als letzter Glauben des Westens, die Bolschewisten als Wiedergänger der Jakobiner, die Auswechslung der herrschenden Elite durch eine andere – Bolz versteht es geschickt, die Paralallen zur Französischen Revolution zu legen, ohne Lenin dabei als überwundenes Übel zu deklarieren: „Lenin ist in einem unheilvollen Sinne aktuell, solange der Gedanke einer revolutionären Diktatur lebt – solange es Parteien gibt, die sich selbst als Verkörperung der Wahrheit verstehen und den Staat als Waffe mißbrauchen.“

Karlheinz Weißmann widmet sich mit Hannah Arendt der Antipodin des Totalitären. Er beleuchtet dabei die Ambivalenz einer von Linken und Liberalen verehrten Philosophin, die ihren Zeitgenossen zu verstehen gab, daß es „keine gesetzmäßige Entwicklung“ in Richtung der „liberalen Moderne“ gebe. Daß Arendt nicht nur Faschismus und Totalitarismus zu scheiden wußte, sondern den Ursprung des Rassismus vor allem im „Entsetzen“ der Europäer über die Lebenswirklichkeit des Schwarzen Kontinents diagnostizierte, wäre für viele Absolventen von „critical Whiteness“ wohl als Einsicht unzumutbar.

Erwähnenswert ist die im Heft abgedruckte Präambel zur Verfassung einer Europäischen Konföderation im Gegensatz zur Europäischen Union, die auf konservativen Füßen ruht. In seiner Kolumne bemerkt der Verfasser David Engels dabei, daß dieser Entwurf von rechts wie von links kritisiert werde, weil beide Lager den christlichen und abendländischen Anteil ablehnten.

Für das eigentliche Titelthema postiert Cato gleich mehrere schwere Artilleristen an der Architektur-Front. Ingo Langner stimmt ein Loblied der Gotik an, Jörg Michael Henneberg berichtet über die romanische Begeisterung Wilhelms II. und Lombard kommentiert die Debatte um das Kreuz auf dem Schloß.

Zuvorderst steht jedoch der Architekt Léon Krier, der sich gegen die Monstrosität ausspricht, welche die Ostfassade des Humboldt-Forums abdeckt, und anregt, sie mit Eckzimmern und Erker zu verzieren. Weder Franco Stella, Sieger des Wettbewerbs um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, noch andere Architekten hätten Ahnung von klassischer Architektur besessen. Der Meister aus Luxemburg läßt David Berlinski zusammenfassen, was offensichtlich ist: „Moderne Architektur ist ein Krampf der Häßlichkeit. Die Inkompetenz dieser Architekten wird nur übertroffen von ihrer Eitelkeit.“ Die Mehrheit der westlichen Politiker sei immer noch den „bankrotten Prinzipien des Modernismus“ verhaftet.