© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Das grundlegende Problem nicht erkannt
„Inside Wuhan“-Doku: Der SWR sagt Ausstrahlung ab und beharrt auf Linzenzfragen, die vorgeschoben wirken
Tobias Dahlbrügge

Mit dem Tod des jungen Arztes Li Wenliang beginnt die 40minütige Doku „Inside Wuhan“, die der Südwestrundfunk am 15. Juni um 22.45 Uhr als „Story im Ersten“ ausstrahlen wollte. Der Film sollte die ersten Wochen der Covid-19-Pandemie nach dem Ausbruch in China nachzeichnen. Stattdessen lief nach den „Tagesthemen“ die Doku „Sneaker – der große Deal mit den Turnschuhen“. 

Der Arzt Li Wenliang warnte bereits im Dezember 2019 vor der Corona-Pandemie und starb im Februar 2020. Sein Tod wurde zum Symbol für Verschleierung und Propagandalügen der Kommunisten von Peking.

„Was geschah in Wuhan? Wann wußten Chinas Behörden, wie gefährlich das Coronavirus wirklich ist? Hätte die Pandemie verhindert werden können?“ Diese Fragen stellte der SWR und wollte die Antwort in dem Film geben. Die beauftragte Produktionsfirma „Gebrüder Beetz Filmproduktion“ zog es jedoch vor, kein eigenes Drehteam nach China zu entsenden. Ob aus Angst vor Repressionen gegen Journalisten oder Kostengründen sei dahingestellt. Stattdessen griffen die Macher auf offizielles Bildmaterial der chinesischen Regierung zurück. Daß diese Bilder des China Intercontinental Communication Center (CICC) reine Propaganda sind, sollte eigentlich niemanden überraschen und hätte zu einem früheren Zeitpunkt des Projekts auffallen müssen. 

Die Verzweiflung angesichts chaotischer Zustände, die Wut auf das Regime der Beton-Kommunisten, das Vertuschen und Versagen der Partei – all das kommt darin nicht vor. Die Vorberichterstattung in der Presse war dementsprechend. Dann wurde die Ausstrahlung der Dokumentation kurzfristig gestoppt – angeblich wegen problematischer Bildrechte. 

Auf kritische Nachfragen, unter anderem von der Süddeutschen Zeitung („Dies klingt nicht so, als habe man im Südwest-Sender das Problem schon voll erkannt“), findet der SWR keine Antworten. 

Hat das CICC – das auf eine „Beraterfunktion“ bei der Herstellung des Films bestand – nach Bekanntwerden der Kritik seine Zustimmung zurückgezogen? Hat der SWR auf Warnungen deutscher China-Korrespondenten reagiert, nach denen eine Enthüllungskampagne ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen in China gefährden könne? Der Sender, der sich so gerne „Transparenz“ auf die Fahne schreibt, weicht aus und verweist lediglich auf Lizenzfragen.