© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Reiches Erbe des literarischen Christentums im Fokus
Der erste Band des Lepanto-Almanachs widmet sich dem Theologen und NS-Widerständler Reinhold Schneider
Carsten Beck

Eine der Paradoxien der Gegenwart ist, daß die Gesellschaft zwar unbedingt aus der Vergangenheit lernen möchte, aber schon seit Jahrzehnten die Verbindungen dorthin immer weiter kappt. Die große kulturelle Umwertung aller Werte hat auch zu einem Verlust von Traditionen und geistigem Erbe geführt. Davon ist nicht zuletzt das Christentum betroffen. Stichprobenartige Befragungen zeigen immer wieder, daß der Hintergrund von Ostern oder gar Pfingsten den meisten nicht mehr bekannt ist. Geschweige denn die Vielzahl an christlichen Autoren und Denkern, die abseits der wenigen Klassiker wie Augustinus die Überlieferung bereichert haben. Dabei gäbe es in der christlichen Literatur und Geistesgeschichte viel wiederzuentdecken, was auch heute hilfreich sein kann, um ein gutes Leben zu führen. 

Der kleine Lepanto Verlag hat daher ein verlegerisches Großprojekt gestartet. Einmal im Jahr soll künftig der „Lepanto-Almanach“ erscheinen, der das geistige Erbe des Christentums auf literarischem Gebiet neu abwägen und den Lesern erschließen soll. Wer sich darauf einläßt, entdeckt die christliche Geisteswelt über den Anteil, den Poeten, Künstler und Schriftsteller daran hatten und immer noch haben. So möchte der „Katholische Verlag für Theologie und Philosophie“ aus Leipzig (!) auch einen Beitrag dazu leisten, die Werte katholischer Weltanschauung in unseren Tagen erneut fruchtbar zu machen. Im Zentrum des soeben erschienenen ersten Bandes des „Lepanto-Almanachs“ steht Reinhold Schneider (1903–1958), ein Hauptvertreter des deutschen „Renouveau Catholique“ und der „Inneren Emigration“. 

Schneider zeigte, wie sich katholische Werte auch in schwierigen Zeiten leben lassen. Mit seinem Werk „Las Casas vor Karl V.“ (1938) verfaßte er eines der großen Widerstandsbücher gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten. Nicht zuletzt deshalb lohnt es sich, diesen Autor neu zu entdecken, der noch in der frühen Bundesrepublik verehrt und gefeiert wurde, später aber ins Hintertreffen geriet. Als Konservativer und Monarchist, der sich andererseits dem Kalten Krieg entschieden verweigerte, saß er bald zwischen allen Stühlen. 

Die kulturelle Hegemonie der Achtundsechziger verdrängte ihn und sein Werk endgültig aus dem Kanon. In Interpretationen und historischen Skizzen nähert sich der neue Lepanto-Almanach Schneiders beeindruckendem Werk. Einen besonderen Bonus stellt der Nachdruck einer legendären Schneider-Studie aus der Feder Joseph Ratzingers (Papst Benedikts XVI.) dar.

Michael Rieger, Till Kinzel, Christoph Fackelmann (Hrsg.): Lepanto-Almanach 1 Jahrbuch für christliche Literatur und Geistesgeschichte. Lepanto Verlag, Leipzig 2020, broschiert, 264 Seiten, 14,80 Euro