© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Populist reinstens Wassers
Matteo Salvini offenbart sich im Interview
Marco Gallina

Die sogenannten Fake News hat es immer gegeben. Über mich zum Beispiel kursieren sie seit jeher.“ Die Sprüche von Lega-Chef Matteo Salvini sind legendär. Daß Chiara Giannini in ihrem Buch deswegen ein eigenes Kapitel zu den Perlen des „Capitano“ anlegt, versteht sich von selbst. Der „populärste Populist“ Europas, wie die Autorin ihren Protagonisten nennt, kommt dabei selbst zu Wort: hundert Fragen stellt die Journalistin dem Schrecken etablierter Politik und Medien. 

Diese präsentieren tatsächlich einen „Populisten“ reinsten Wassers, weil Salvini anders als Trump, Johnson oder Berlusconi nie Teil irgend-

einer Elite war. Er sucht schnell die zwischenmenschliche Ebene, redet von den kleinen Leuten und ihren Alltagsproblemen. Was Salvini antreibt, ist ein starker Gerechtigkeitssinn. Wie sähe ein Italien mit Salvini als Premier aus? Ungelegte Eier. Wichtigstes Projekt? Die Brücke in Genua aufbauen! Salvini ist ein Hund, er lebt in der Gegenwart, greift lieber zu, statt Schnörkel zu ziehen.

Um dieses „Gespräch mit dem Staatsmann“ gruppiert Giannini alle Themenbereiche. Aber Moment – Staatsmann? Die Zeit ist ein Feind, der gnadenloser zuschlägt als politische Rivalen: das Buch kam im Mai 2019 auf den Markt, die deutsche Übersetzung sogar nach dem Ausscheiden der Lega aus der Regierungskoalition. Das schadet dem Buch aber keineswegs, denn auch die „historischen Passagen“ haben ihren Reiz. Der Leser erlebt einen Innenminister Salvini auf dem Höhepunkt seiner Macht. Das Interview fand im Schatten der EU-Wahl statt, der Koalitionsbruch lag schon damals in der Luft – obwohl Salvini noch beteuert, die Regierung bis zum Schluß durchzuziehen.

Giannini macht dabei aus ihrer Bewunderung für Salvini keinen Hehl. Das mag man als voreingenommen werten. Allerdings wird das nicht Gianninis Anspruch gerecht, die bewußt Regulativ sein will: Denn sämtliche Medien sind voreingenommen und berichten nicht neutral, daher wird Feuer mit Feuer vergolten. Salvinis Gegner, denen sie ein Kapitel widmet, sind „hater“. Wutbürger sind jetzt die anderen – ein Hinweis auf den sich wandelnden Wind in der italienischen Gesellschaft, wo nunmehr die Linken die eigene Medizin verabreicht bekommen.

Chiara Giannini, Wulf Wagner (Hrsg.): Ich bin Matteo Salvini. Der italienische Staatsmann im Gespräch. Manuscriptum Verlag, Lüdinghausen 2019, broschiert, 240 Seiten, 15 Euro