© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Haltungsnote
Unverschämte Selbstbedienung
Gil Barkei

Im Zuge des Filz-Streits bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Frankfurt (JF 50/19) war der ehemalige AWO-Chef Jürgen Richter zurückgetreten, um „Schaden von der AWO“ abzuwenden – nein, wie gütig! Zuviel Gutherzigkeit, wie es das AWO-Logo verspricht, darf es dann aber auch nicht sein. Und beim Geld hört der Spaß bekanntlich auf. Denn Rücktritt kann ja wohl nicht heißen, auf die ganze Kohle zu verzichten, denkt sich Richter und fordert nun vor dem Frankfurter Arbeitsgericht die Fortzahlung seines Gehalts bis zum Jahr 2022: insgesamt etwa 750.000 Euro, wie die Hessenschau berichtet. Immerhin sei die Kündigung, die Richter nach seinem „Rücktritt“ ereilte, aus seiner Sicht formell unwirksam. Das Präsidium des AWO-Kreisverbandes habe damals – wegen gleich mehrerer skandalbedingter Rücktritte – mit nur drei Personen zu wenige Stimmberechtigte für eine Kündigung gehabt.

Nebenbei bemerkt: Die Gehaltszahlungen ließ sich Richter vertraglich zusichern auch für den Fall, daß er gar nicht arbeiten geht. Zudem steht im Todesfall die nicht ausgezahlte Vergütung den Erben zu. Wer unterschreibt solche „Arbeits“-Verträge? (Es gehören zwei Unterzeichner dazu.) Ein gemeinnütziger Verband als Selbstbedienungsladen, der seinem Namen spottet.