© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Sie vergehen sich an unserer Sprache
Lob des generischen Maskulinums: Ein funktionierendes System wird aus ideologischen Gründen durcheinandergebracht
Thomas Paulwitz

Die deutsche Sprache ist eine wertvolle Sprache. Nicht ohne Grund wurde sie – zumindest bis vor kurzem noch – weltweit als Sprache der Dichter und Denker geschätzt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie sich sowohl zur herausragenden Literatursprache als auch zur präzisen Wissenschaftssprache entwickelt. Zu den Eigenschaften, welche die deutsche Sprache auszeichnen, gehört auch das generische Maskulinum. Es bietet die Möglichkeit, geschlechtsneutral zu formulieren, ohne daß der Zuhörer oder Leser an eine konkrete Person – Mann oder Frau – denken muß.

Wie bereits der vorherige Satz verdeutlicht, gilt dasselbe freilich auch für sein Geschwister: das generische Femininum, etwa: „die Person“. Ein anderes Beispiel ist „die Waise“. Und mit dem Wort „das Geschwister“ haben wir auch ein Beispiel für ein generisches Neutrum, das ebenfalls den Vorzug hat, kein biologisches Geschlecht festzulegen, ebenso wie „das Kind“ oder „das Individuum“. Wie das generische Maskulinum, das gleichwohl häufiger vorkommt, können sich generisches Femininum und Neutrum sowohl auf Frauen als auch auf Männer beziehen. Damit sind sie also völlig geschlechtergerecht, wenn man dies denn unbedingt als politischen Maßstab an die Sprache anlegen will.

Ruprecht Polenz verbessert Marina Weisband

„Das generische Maskulinum ist eine in der Sprache tief verankerte, elegante und leistungsstarke Möglichkeit zur Vermeidung von Diskriminierung“, lobt der Potsdamer Germanist Peter Eisenberg. Es hat nämlich den Vorteil, daß es nicht der Sprachgemeinschaft aufgezwungen wurde, sondern sich natürlich entwickelt hat. Ohne politische Sprachmanipulation kommen die Grundsätze der Sprachsparsamkeit, der Handhabbarkeit und der Verständlichkeit zur Geltung. Wenn die Betonung von Frau oder Mann nicht unbedingt notwendig ist, läßt man sie am besten weg. Je kürzer ein Satz, desto besser kann er verstanden werden. Daher lassen wir üblicherweise überflüssige Informationen einfach weg. Zeit für Sprachverrenkungen wie eine Gendersprache, die aus Sternchen, Unterstrichen, Doppelpunkten und krampfhaften Umschreibungen besteht, haben nur diejenigen, die vom Steuerzahler besoldet werden und nicht nach dem Grundsatz „Zeit ist Geld“ arbeiten müssen.

Im „Krieg gegen das generische Maskulinum“ (Peter Eisenberg) führen diejenigen, die das generische Maskulinum gern verbieten wollen, häufig Assoziationstests ins Feld. So stelle man sich bei dem Wort „Bauarbeiter“ eher einen Mann vor. Das führe dazu, daß viele Frauen keine Bauarbeiter werden wollten. Die Aussagekraft der Assoziationstests ist jedoch wissenschaftlich zweifelhaft. Denn niemand – sei es Frau oder Mann – ist überrascht, wenn ihn beim Bäcker eine Frau bedient; wenn ihn beim Arzt eine Ärztin behandelt; wenn ihm beim Friseur eine Frau die Haare schneidet.

Das ist nicht verwunderlich, denn Bäcker, Arzt und Friseur sind keine biologischen, sondern berufliche Kategorien. So kann eine Frau Lehrer werden, ohne sich einer Geschlechtsoperation zu unterziehen. Marina Weisband etwa kann von sich behaupten: „Ich bin Antifaschist.“ Allerdings mußte sie sich für ihre Wahl des generischen Maskulinums vom obersten Feministen der CDU, Ex-Generalsekretär Ruprecht Polenz, tadeln lassen.

Einen Nachteil des generischen Maskulinums gibt es doch: für die Männer. Will man betonen, daß es um Männer geht, muß man es dazusagen: „männlicher Lehrer“. Für die Frauen hingegen steht ein eigenes Wort zur Verfügung: „Lehrerin“. Alles in allem bietet das generische Maskulinum jedoch ein bewährtes und funktionierendes System. Dieses aus ideologischen Gründen außer Kraft zu setzen stiftet nur Durcheinander und ist ein Verbrechen an der Sprache.






Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden Zeitung Deutsche Sprachwelt.

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