© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Anhaltende Diskussion über die deutsche Fleischbranche
Luxus und Ausbeutung
Jörg Fischer

Die Sorge um unsere Mitgeschöpfe ist keine Marotte von Grünen, Greenpeace und Gymnasiastinnen: „Wir wollen eine europarechtlich tragfähige Tierwohlabgabe“, heißt es im Perspektivenpapier „Fleischwirtschaft vom Stall bis zum Teller“ von Agrarministerin Julia Klöckner und ihren Länderkolleginnen Ursula Heinen-Esser (NRW) und Barbara Otte-Kinast (Niedersachsen). Ziel sei, „Tierwohlaspekte im Verbraucherpreis sichtbar zu machen und damit die Wertschätzung für das besondere Lebensmittel Fleisch zu fördern“.

40 Cent pro Kilogramm sind im Gespräch, um etwa größere Ställe finanzieren zu können. Auch ein „Preiswerbeverbot für Fleisch“ werde geprüft, denn „Niedrigstpreise spiegeln nicht annähernd den Wert der Tiere und der Arbeitsschritte bis zum Fleischerzeugnis wider“, finden die CDU-Politikerinnen. Da aber Fleisch „kein Luxusprodukt“ werden dürfe, bleibt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung in deutschen Großschlachthöfen wohl zu wenig übrig. Denn das durch die diversen Corona-Ausbrüche initiierte Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Branche, an denen zwielichtige Subunternehmen aus dem EU-Ausland und Großkonzerne gut verdienen, sei „juristisch anspruchsvoll“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) – sprich: Lobbyisten machen Druck im Gesetzgebungsverfahren, und kundige Konzernjuristen finden sicher wieder Schlupflöcher, wie NRW-Ressortkollege Karl-Josef Laumann (CDU) mehrfach erfahren durfte.

Dabei würden „vernünftige Arbeitsbedingungen“ und Mindestlöhne in Schlachthöfen pro Kilogramm Schweinefleisch nur „zehn bis 20 Cent mehr“ kosten, wie die Gewerkschaft NGG vorrechnet. Doch im Gegensatz zu Tieren oder sich dauerdiskriminiert fühlenden Randgruppen haben die mit erbarmungsloser Akkordarbeit Ausgebeuteten aus Bulgarien oder Rumänien keine schlagkräftige Lobby und weder Geld noch Zeit, um bunt vorm Kanzleramt zu demonstrieren.