© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

CD-Kritik: Catherine Gordeladze
Kapriziöses
Jens Knorr

Das Capriccio, die Caprice, ist eine Laune, ein unerwarteter Einfall, frei in der Form, aber nicht formlos. Zwei berühmte derartige Stücke dürfen auf dem Album nicht fehlen, für das die georgisch-deutsche Pianistin Catherine Gordeladze brillante Capricen zusammengetragen hat, die für Klavier komponiert worden sind: das „Capriccio über die Abreise des sehr geschätzten Bruders“ BWV 992 von J. S. Bach und das „Rondo alla Ingharese quasi un Capriccio“ op. 129 von Beethoven. Den Titel „Wuth über den verlornen Groschen ausgetobt in einer Kaprize“ hat dem Rondo Beethovens Sekretär Schindler verpaßt.

Das Spiel Gordeladzes will glänzen und gleißen und überreden, doch redet es kaum von dem, was es da überglänzen und übergleißen will. Die Abfolge der virtuosen Stücke ergibt allein keine lesbare Dramaturgie, so sehr der Wechsel etwa von Godowski zu Kapustin zu Clementi auch Höreindruck macht und sich mit einiger Mühe ein gedanklicher Bogen von Moszkowskis Salonmusik zu Mendelssohns Hausmusik, von Alfred Jaëlls oberflächlicher Opernparaphrase zu der tiefer gehenden Liszts schlagen ließe.

Eine wahrhafte Entdeckung ist das Capriccio op. 71 des ukrainischen Komponisten Nikolai G. Kapustin (*1937), das Jazz-Standards mit klassischen Formen konfrontiert, ohne daß die einen in den anderen ihre Autonomie verlören.

Catherine Gordeladze Caprice Brillant Bella Musica/Antes Edition 2020  www.bella-musica.de  www.catherinegordeladze.de