© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Die Welt spielt verrückt
„White Lives Matter“: In England zeigen sich gesellschaftliche Umbrüche
Björn Harms

Welcher Satz bereitet Ihnen mehr Kopfschmerzen? „White Lives Matter“ (Weiße Leben sind wichtig) oder „White Lives Don’t Matter“ (Weiße Leben sind nicht wichtig)? Nun, zumindest verdeutlichen zwei jüngste Vorfälle in Großbritannien, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft diesbezüglich entwickelt. Denn äußern Sie den ersten Satz in aller Öffentlichkeit, könnten Sie Ihren Arbeitsplatz verlieren. Für den zweiten Satz aber erhalten Sie die volle Rückendeckung Ihres Arbeitsgebers.

In der vergangenen Woche hatte eine Aktion in Burnley, einer klassischen Arbeiterstadt im Norden Englands, für Aufsehen gesorgt. Während des Erstligaspiels der Fußballvereine FC Burnley und Manchester City kurvte ein Flugzeug mit einem Spruchband über das Stadion. „White Lives Matter Burnley“ war dort zu lesen – in Zeiten von „Black Lives Matter“ natürlich ein Sakrileg. Die Öffentlichkeit zeigte sich schockiert.

„Ich schäme mich, daß eine kleine Anzahl unserer Fans beschlossen hat, so etwas um das Stadion herum zu zeigen“, erklärte Burnley-Kapitän Ben Mee nach dem Spiel. Die verantwortlichen Fans sollten „im 21. Jahrhundert ankommen“. Auch deutsche Medien sprachen von einer „zutiefst beschämenden“ und „rassistischen Plaket-Aktion“. Das ZDF übersetzte das Banner sogar bewußt falsch mit „Nur weiße Leben zählen“, korrigierte diese Version aber später. 

Iniitiert hatte das Ganze der junge Fußballfan Jake Hepple, gemeinsam mit ein paar Freunden. Mittlerweile hat der Brite seine Anstellung als Schweißer verloren. Sein Arbeitgeber, der Luft- und Raumfahrthersteller Paradigm Precision aus Burnley, distanzierte sich von der Aktion und kündigte ihm. „Paradigm Precision duldet oder toleriert Rassismus in keiner Weise und setzt sich voll und ganz für Vielfalt und Inklusion ein“, teilte ein Sprecher des Unternehmens mit. Das wollte Hepple so nicht stehenlassen. „Ich weiß, daß die Leute versuchen, so zu tun, als ob ich ein Rassist wäre, aber ich bin es nicht“, beschwerte er sich. „Ich habe viele schwarze und asiatische Freunde. Er habe nicht versucht, die „Black Lives Matter“-Bewegung oder Schwarze zu beleidigen. Dennoch glaube er, „daß es auch wichtig ist, anzuerkennen, daß auch das weiße Leben eine Rolle spielt. Das ist alles, was wir damit sagen wollten.“ 

Bemerkenswert: Der junge Fußballfan kroch nicht zu Kreuze, wie es viele andere getan hätten, sondern ging in die Offensive. „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich zu entschuldigen … bei absolut niemandem!“, schrieb er etwa auf seiner Facebook-Seite. Es sei nun schon rassistisch zu behaupten, daß weiße Leben eine Rolle spielten. „In was für einer verrückten Welt wir leben.“  

Universität präsentiert sich als Ort der Meinungsfreiheit

Gleichzeitig spielten sich an der britischen Cambridge-Universität Vorgänge ab, die nicht kontrastreicher sein könnten. Die indischstämmige Professorin für postkoloniale Literatur, Priyamvada Gopal, angestellt an der altehrwürdigen Hochschule, hatte nur einen Tag nach der Aktion in Burnley getwittert: „Ich werde es noch einmal sagen. Weiße Leben sind nicht wichtig.“ Dann fügte sie hinzu: „Weißsein abschaffen.“ Konsequenzen muß sie jedoch keine befürchten.

Die Universitätsleitung stellte sich demonstrativ hinter die 51jährige Wissenschaftlerin: „Die Universität verteidigt das Recht ihrer Akademiker, ihre eigenen rechtmäßigen Meinungen zu äußern, die von anderen als kontrovers empfunden werden könnten, und verurteilt auf das schärfste Mißbrauch und persönliche Angriffe“, hieß es in einer Stellungnahme. Eigenen Angaben zufolge hat Gopal bereits Dutzende Morddrohungen erhalten und die Polizei alarmiert.

Cambridge präsentierte sich in diesem Fall also als Hort der Meinungsfreiheit. Doch wie paßt das zusammen mit Entscheidungen aus der Vergangenheit? Noch im März vergangenen Jahres hatte die Universität das Angebot eines zweimonatigen Gaststipendiums für den Psychologen Jordan Peterson aufgrund seiner vermeintlich umstrittenen Ansichten zurückgezogen. „Cambridge ist ein inklusives Umfeld, und wir erwarten von allen unseren Mitarbeitern und Besuchern, daß sie unsere Grundsätze einhalten. Es gibt hier keinen Platz für alle, die das nicht können“, teilte ein Sprecher der Hochschule damals mit. Zuvor hatte es Proteste von Dozenten und Studenten gegeben. 

Im selben Jahr hatte die Universität auch den 30jährigen Soziologen Noah Carl entlassen, nachdem dieser auf dem Gebiet der Intelligenzforschung Ergebnisse publiziert hatte, die offenbar nicht jedem gefielen. Linke Kollegen schrien „Rassismus!“, eine oberflächliche Untersuchung wurde durchgeführt und schon widerrief die Universität den Arbeitsvertrag. Der Rechtsstreit dauert noch an.

Hätten Peterson oder Carl Sprüche vom Stapel gelassen wie „Schwarze Leben sind nicht wichtig“, „Indianerleben sind nicht wichtig“ oder „ähnlichen rassistischen Müll, dann vermute ich stark, daß die Universität Cambridge sie noch schneller entlassen hätte, als sie es ohnehin schon tat“, bemerkte der Publizist Douglas Murray auf dem Blog unherd. 

Wie alle „wirklich erfolgreichen Privilegierten des 21. Jahrhunderts“ wisse Priyamvada Gopal eben, wie man das Spiel zu spielen hat. „Sie tun so, als befänden sie sich in einer Position der Schwäche und Verwundbarkeit, obwohl sie sich in Wirklichkeit in einer Machtposition befinden.“ Mit Blick auf den Fall Hepple warnte Murray: „Inzwischen sollte klar sein, daß man sich kaum etwas vorstellen kann, das weniger geeignet ist, Harmonie oder Toleranz zu fördern als diese gegenwärtigen umgekehrten Standards.“

Twitter hat die Tweets der Englisch-Dozentin Gopal mittlerweile gelöscht, da sie gegen die Richtlinien verstießen. Was für sie jedoch keinen Grund darstellte, klein beizugeben: „Ich möchte auch klarstellen, daß ich zu meinen Tweets stehe, die jetzt von Twitter gelöscht wurden, nicht von mir“, erklärte die Professorin. Diese seien gegen eine „Struktur und Ideologie“ gerichtet gewesen, nicht gegen Menschen. Es gehe um die Abschaffung einer Rassenhierarchie, in der Weiße an der Spitze stehen würden. Woran sie diese Rassenhierarchie genau festmacht, bleibt wohl ihr Geheimnis.