© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Haste ma ’n Kaffeewagen?
Correctiv: Der halbgemeinnützige Konzern ist in ein pikantes Unternehmensgeflecht verstrickt
Mathias Pellack

Correctiv ist ein Konzern, der sich mit der Suche nach der Wahrheit beschäftigt. Nur leider nimmt er es manchmal nicht so genau. Der Konzern besteht aus zwei Firmen. Erstere hat den etwas sperrigen Namen „Correctiv – Recherchen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH“ (im folgenden „Recherchen gGmbH“ genannt). 

Die Recherchen gGmbH ist vielen bekannt (JF 4/17), denn sie beschäftigt zwei Dutzend Journalisten und räumt seit 2014 regelmäßig Medienpreise ab, wie jüngst den deutsch-französischen.

Weniger bekannt ist das zweite Unternehmen. Es ist die 100prozentige Tochter der Recherchen gGmbH und heißt „Correctiv – Verlag und Vertrieb für die Gesellschaft UG“ (im folgenden „Verlag UG“ genannt).

Correctiv checkt für Facebook seit 2017 Artikel auf ihren Wahrheitsgehalt.Jüngst mußte der Konzern dabei auch mal zurückstecken, als er einen Artikel von Tichys Einblick als falsch bewertete. Ein Gericht stellte fest, daß keine journalistischen Fehler nachweisbar waren und untersagte die Kennzeichnung des Artikels als falsch. Eine solche Wertung hat handfeste Folgen, denn laut Eigenangaben von Correctiv wird die Reichweite eines Artikels dadurch um etwa 80 Prozent reduziert. Aber das nur am Rande.

Facebook bezahlt Correctiv für diese Arbeit – und das nicht zu knapp, wie ein Vergleich mit französischen und britischen Faktencheckern zeigt. Dort gab der Social-Media-Riese zwischen 900 und 1.800 Dollar pro Check aus. Im ersten Halbjahr 2019 erhielt das britische Gegenstück von Correctiv, Full Fact, demnach für das Überprüfen von 96 Facebook-Beiträgen 171.800 Dollar. Das französische Pendant, Liberation, erhielt im ganzen Jahr 2019 für 165 Faktenchecks 294.400 Dollar. Eine doch nicht unerhebliche Einnahmequelle, die Correctiv in eine gewisse Abhängigkeit bringen könnte, sollte man meinen.

Wurden Spendengelder weitergereicht?

Tut es aber nicht, weil Correctiv seine Konzernstruktur schlau ausnutzt. Vermuten würde der Otto-Normal-Firmengründer, daß die Recherche gGmbH auch fürs Recherchieren des Wahrheitsgehalts der Facebook-Artikel zuständig ist und ergo auch dafür entlohnt werden müßte. Tatsächlich geht das Geld aber an die Verlag UG, wie Geschäftsführer David Schraven 2019 bei uebermedien.de ausplauderte. Diese Dollar fließen an „die gewerbliche Tochterfirma von Correctiv“, sagte er – wovon es nur eine gibt, die obengenannte Verlag UG.

Das ist etwas problematisch. Diese Konstruktion ist nicht verboten, aber doch sehr ungewöhnlich. Oder wie der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel in seinem Blog schreibt: „Daß eine die Privilegien der Gemeinnützigkeit ausnutzende Gesellschaft völlig einschränkungslos durch eine 100prozentige Tochter am Geschäftsverkehr teilnehmen kann und ihr auch die Erträge dieses nicht gemeinnützigen Tuns zufließen dürften, ist auffällig.“

Und tatsächlich fließen hier nicht nur die Gelder hin, die das Unternehmen mit seinen Aktivitäten auf Facebook generiert, sondern auch Darlehen der Muttergesellschaft. Doch bleiben wir erst bei den Facebook-Einnahmen: Die Verlag UG hat sich nicht dem Kodex der Faktenprüfer unterstellt, wie es die Correctiv-Mutter tat. Die Recherche gGmbH wurde vom International Fact Checking Network zertifiziert und mußte dabei zum Beispiel zugestehen, daß „Geldgeberinnen und Geldgeber ausnahmslos keinen Einfluß auf redaktionelle Inhalte, Recherchen oder jedwede anderen Entscheidungen der Correctiv-Redaktion und ihrer Autorinnen und Autoren haben.“ Was man eben von der Verlag UG nicht sagen kann, weshalb die Facebook-Faktenchecks davon ausgenommen sein können. 

Interessant ist diese Aufteilung für den Konzern, weil er so seinen Status als gemeinnütziges Unternehmen behalten kann, denn: würde er mit seiner Arbeit zwei Jahre in Folge größere Gewinne einfahren, wäre die steuerliche Begünstigung hinüber. Und die ist für Correctiv sehr lukrativ. Großspender wie die Brost-, die Schöpflin- und die Rudolf-Augstein-Stiftung oder auch das Omidyar Network sowie die Open Society Foundations haben zwischen 2014 und 2019 allein knapp sechs Millionen Euro – ohne Abgaben an den Staat zahlen zu müssen – an Correctiv weitergereicht.

Über die erwähnten Darlehen läßt sich sagen, daß die Recherchen gGmbH laut den eigenen im Internet veröffentlichten Bilanzen im Jahr 2017 Kredite über 137.000 und im Jahr 2018 über 87.000 Euro „an verbundene Unternehmen“ weitergegeben hat. Geschäftsführer Schraven streitet gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ab, daß es diese Darlehen in Höhe von zusammen mehr als 200.000 Euro gab. Er sagt, „in dieser Höhe existierten zu keinem Zeitpunkt“ Darlehen an die Verlag UG, und sieht sich als Opfer: „Das sieht für mich nach einer Verleumdung aus.“ Steinhöfel schließt aus der Tatsache der Weitergabe von Geldern: „Darin, daß die UG nicht steuerbegünstigt ist, liegt ein offensichtlicher Satzungsverstoß, der für die Gemeinnützigkeit unmittelbar relevant ist.“

Um Klarheit über die Zulässigkeit einer solchen Konstruktion zu erlangen, fragte die JF das zuständige Finanzamt in Bottrop und das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen an. Beide wiegeln leider alle Fragen mit dem Verweis auf das Steuergeheimnis ab.

Auskunftsfreudiger gab sich das Bundesamt für Justiz. Es bestätigte der jungen freiheit, gegen Correctiv zu ermitteln. Grund seien weitere Unstimmigkeiten, die der Hannoveraner Professor für Finanzwissenschaften, Stefan Homburg, ans Tageslicht brachte. Bei Tichys Einblick berichtete er, daß die obengenannte Konstruktion sich auch auf die Publikationspflichten von Correctiv auswirke. 

Da die Recherchen gGmbH keine Einnahmen hat – denn Spenden gelten nicht als solche –, braucht sie im Unternehmensregister nur eine verkürzte Bilanz zu hinterlegen. Würden die Facebook-Einnahmen in der Recherchen gGmbH abgerechnet, müßte diese wie eine normale GmbH ihre Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang im Bundesanzeiger veröffentlichen. Eine enorme Erleichterung für ein Unternehmen, das 2018 mehr als eine halbe Million umsetzte.

19 Verstöße wurden angezeigt

Weiter schreibt Homburg: „Man könnte nun meinen, daß eine derart finanzstarke Gesellschaft, die der Offenlegung durch einen Kniff entgeht, zumindest jene Pflichten erfüllt, die der Gesetzgeber den für Friseure und Installateure gedachten Kleinstkapitalgesellschaften auferlegt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben im Zusammenhang mit Correctiv nicht weniger als 19 konkrete Gesetzesverstöße gefunden und diese dem Bundesamt für Justiz angezeigt.“

David Schraven sagt dazu gegenüber der jungen freiheit, das sei ihm „vollkommen schleierhaft“. „Allenfalls könnten Leute versucht haben, Correctiv bei Behörden zu verleumden.“ Allerdings wurden am Tag der Veröffentlichung des Textes von Homburg die Bilanzen der Recherchen gGmbH im Handelsregister überarbeitet. 

Doch damit nicht genug. Schraven führt und besitzt anteilig noch weitere Unternehmen. Seit dem 11. März 2020 ist er, zusammen mit seiner Frau Sonja Schraven sowie Christina Berger, auch Geschäftsführer der neugegründeten „Marktviertel Café UG“ (nachfolgend Café UG genannt). Im Gesellschaftsvertrag dieser Firma ist aufgeführt, daß sie auch Immobiliengeschäfte betreiben kann. Würde diese Café UG nun Konferenzräume oder Büros an die Recherchen gGmbH vermieten, flössen mehr von den Spendengeldern, wovon einige auch vom Bund kommen, direkt in Schravens Kassen.

Konfrontiert mit diesem Szenario, erklärt Schraven der JF: Das habe er „ganz sicher nicht“ vor. Die Café UG betreibe nur einen „Kaffeewagen“. Und weiter: Das sei eine „Mobilie – keine Immobilie“. Der Geschäftszweck stehe in der Satzung, weil es sein könne, „daß wir irgendwann mal eine Garage für diesen oder einen anderen Kaffeewagen brauchen – oder einen ähnlichen Zweck“. Er meint, ein solcher Vorwurf wirke „konstruiert“. Das von drei Geschäftsführern geleitetete Kaffeewagen-Unternehmen habe „gar nichts“ mit Correctiv zu tun. Wahrheit war schon immer ein gutes Geschäft.