© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Mit Sprachenpolitik zu mehr europäischer Autonomie
Eliten als Abhängige fremder Mächte
(wm)

Das Akademiker-Ehepaar Claus und Karin Luttermann (beide Universität Eichstätt-Ingolstadt) formulieren in ihrem Aufsatz über „Frieden, europäische Identität und Wohlstand“ höchst unbequeme politische Fragen und teilen dabei kräftig gegen den real existierenden Liberalismus aus. Zum Beispiel: „Wollen wir unsere Eliten als Abhängige (Schuldner) fremder Mächte?“ Ist die „Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse“, die mitsamt der „Anglophonisierung“ als Pax Americana, als kapitalistische „Katastrophenwirtschaft“ der „De-Regulierung und Standardisierung à la Wall-Street/City of London“, in der EU etabliert ist, mit einem Europa demokratischer Selbstbestimmung und kultureller Vielfalt vereinbar? Offensichtlich nicht, wie der Zivilrechtler und die Sprachwissenschaftlerin meinen (Forschung & Lehre, 6/2020). Ob sich aber ihre Idee durchsetzt, europäische Identität durch ein neues Sprachenrecht zu stärken, bleibt abzuwarten. Denn der Unterschied zwischen dem alten System, EU-Rechtsakte unmittelbar in 24 Amtssprachen mit 552 Übersetzungskombinationen zu übersetzen, und dem Reformvorschlag der Luttermanns, ein Referenzsprachensystem mit Deutsch und Französisch zu etableirenen, dürfte die erstrebte „kopernikanische Wende“ zu mehr Normenklarheit und identitätsstärkender Bürgerkommunikation wohl nicht allzu gravierend befördern. 


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