© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Kabinenklatsch
Das hat ein Geschmäckle
Ronald Berthold

An die Hertha-Spiele in meiner Kindheit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Viele Ergebnisse von vor 40 Jahren weiß ich aus dem Stegreif. Zur selben Zeit sah ich in einem Karikaturenband folgende Zeichnung: Die Siegermannschaft trägt den mit hochrotem Kopf gemalten Schiedsrichter auf den Schultern vom Platz. Das hat mir damals sehr gefallen, weil ich meinen Verein so oft benachteiligt sah. Warum ich jetzt davon erzähle?

Ganz einfach: Weil dieser Cartoon nach dem letzten Bundesliga-Spieltag vor meinem geistigen Auge auftauchte, als die sich zuvor wehrlos ergebenden Spieler des 1. FC Köln sich von den Werder-Fans feiern ließen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ich war dafür, daß Bremen Fortuna Düsseldorf den 16. Platz wegschnappt. Schon deswegen, weil Hertha 2012 im Relegationsrückspiel so skandalös um den Klassenerhalt betrogen wurde. Der „positive Platzsturm“ der Rheinländer und die Fortsetzung der Partie ohne Tornetze und Elfmeterpunkt, die die Düsseldorfer Anhänger zuvor als Souvenirs mitgenommen hatten, bleiben ein ewiger Stachel im Fleisch eines Herthaners.

Wer die nicht vorhandene Kölner Gegenwehr sah, wird den Gedanken an Absicht nicht los.

Und dennoch: Wie sich die Kölner Spieler beim 1:6 von Werder abschlachten ließen, weckte meinen Gerechtigkeitssinn andersherum. Wer die nicht vorhandene Kölner Gegenwehr bei der Bremer Torflut mit ansah, wird den Gedanken an Absicht nicht los. Offenbar hatten die „Effzeh“-Kicker auch kein Interesse daran, diesen Eindruck zu leugnen. Wie sich Stürmer Anthony Modeste vor den vor dem Stadion versammelten Fans von der Weser an die Brust klopfte und winkte, hat ein Geschmäckle.

Da kann man nur froh sein, daß wenigstens Herthas Lokalrivale absolute Sportlichkeit zeigte. Union, für die es um nichts mehr ging, fegte Düsseldorf mit 3:0 aus der Alten Försterei. So bleiben die positiven Platzstürmer letztlich selbst schuld am erneuten Abstieg. Das nun folgende sechste Jahr Zweitklassigkeit seit dem Skandalspiel von 2012 ist aber wirklich Strafe genug. Liebe Fortunen, nächstes Jahr dürft ihr meinetwegen wieder aufsteigen.