© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Volkes Armee
Bundeswehr II: Die Wehrbeauftragte regt eine Wiedereinführung der Wehrpflicht an / Kritik kommt aus ihrer Partei, Lob von Reservistenverband und AfD
Peter Möller

So hatten sie sich das in der SPD-Führung vermutlich nicht vorgestellt. Kaum ist die dem linken Parteiflügel zuzurechnende Bundestagsabgeordnete Eva Högl auf den Posten der Wehrbeauftragten weggelobt worden, um bei der kommenden Bundestagswahl auf der Berliner Landesliste Platz für verdiente Genossen zu machen, bringt sie rechtzeitig zu Beginn des Sommerlochs die Wiedereinführung der Wehrpflicht ins Spiel.

Die 2011 vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) durchgesetzte Aussetzung der Wehrpflicht sei ein „Riesenfehler“ gewesen, hatte Högl am Wochenende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt. Doch dabei ging es der SPD-Politikerin nicht in erster Linie um die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, sondern um die Diskussion über rechtsextremistische Vorfälle. Schon vor der Entscheidung zur Aussetzung habe es Befürchtungen gegeben, daß sich Rechtsextremismus in einer Berufsarmee stärker entwickle als in einer Wehrpflichtarmee. Es tue der Bundeswehr sehr gut, „wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeitlang seinen Dienst leistet“, sagte Högl. „Das erschwert es auch, daß sich Rechtsextremismus in der Truppe breitmacht.“

Dennoch reagierten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans äußerst schroff auf den Vorstoß ihrer Genossin: Die Wehrpflicht stehe „nicht im Zusammenhang mit der gefährdeten Demokratiefestigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflichtigen besetzt worden sind“, teilten die beiden am Wochenende mit Blick auf das KSK mit.

Der Präsident des Reservistenverbandes, der Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg (CDU), unterstützte dagegen Högls Vorstoß. „Die Aussetzung der Wehrpflicht war ein Fehler, und ich habe damals deshalb auch dagegen gestimmt“, sagte er dem Handelsblatt. Inzwischen gebe es in Deutschland eine „breite Zustimmung“ für ihre Wiedereinführung beziehungsweise für eine allgemeine Dienstpflicht. 

„Sicherheitspolitisch kein Vorteil“

Auch aus der AfD kam Zustimmung. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei „ein Kapitalfehler“ gewesen, der die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde, so der verteidigungspolitische Sprecher Rüdiger Lucassen. „Die Wehrpflicht dient nicht nur der Personalgewinnung und damit der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, sondern garantiert in der Tat auch eine gesunde Mischung an Soldaten aus allen Schichten und Regionen unseres Volkes. Sie verankert die Streitkräfte in unserer Gesellschaft“.

Als „vollkommen überflüssig“ bezeichnete dagegen die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Högls Vorschlag. Der verteidigungspolitische Sprecher der  Grünen im Bundestag, Tobias Lindner, warnte davor, daß die Wehrpflicht der Bundeswehr sicherheitspolitisch keinen Vorteil bringen, sondern lediglich massive personelle und finanzielle Ressourcen verschlingen würde.

Für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kommt die neue Diskussion über die Wehrpflicht zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht kämpft die Bundeswehr mit Personalsorgen und klagt über eine hohe Abbrecherquote bei den freiwillig Wehrdienstleistenden. Dennoch weiß Kramp-Karrenbauer, daß die Wiedereinführung der Wehrpflicht derzeit politisch nicht durchsetzbar ist. Um die Debatte möglichst schnell wieder abzuwürgen, kündigte sie daher bereits am Wochenende einen Vorstoß für einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr an, sozusagen ein freiwilliger Wehrdienst „light“: Die Männer und Frauen sollen ein halbes Jahr eine militärische Grundausbildung durchlaufen und dann ein halbes Jahr heimatnah im Reservedienst eingesetzt werden. 

In Berlin heißt es, an dem Konzept mit dem Namen „Dein Jahr für Deutschland“ werde im Verteidigungsministerium bereits seit längerem gearbeitet und es sei bis zum Interview Högls nicht geplant gewesen, den Vorschlag bereits jetzt der Öffentlichkeit zu präsentieren.