© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Perspektivlos dank Klimapanik
Kohleverstromung: Ausstiegsgesetz der Bundesregierung verspricht „nachhaltige Wirtschaftsstruktur“ / Wenn das Geld alle ist, sind die Probleme weiter da
Paul Leonhard

Bundestag und Bundesrat haben das Ende der Kohleverstromung für 2038 besiegelt. Damit hat der Kohlekompromiß fast unverändert Gesetzeskraft erhalten (JF 24/19). Dabei geht es nach dem Aus der letzten deutschen Steinkohlezeche Prosper-Haniel im Dezember 2018 um 1,6 Prozent der weltweiten Kohleförderung: 131 Millionen Tonnen Braunkohle wurden 2019 noch in NRW, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg gefördert – Chinas Anteil an der Kohleförderung lag 2018 bei 46 Prozent, gefolgt von den USA (9,3 Prozent) sowie Indonesien (8,3 Prozent) und Indien (7,9 Prozent).

Die Kohlekonzerne erhalten vom deutschen Steuerzahler insgesamt zwischen vier und zehn Milliarden Euro an Entschädigung. 40 Milliarden sollen in die Kohleregionen fließen, um „Perspektiven für eine moderne, nachhaltige Wirtschaftsstruktur“ zu ermöglichen. Von Infrastruktur und der Ansiedlung von Instituten und Behörden ist die Rede. Während Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer den Beschluß feiert oder sein NRW-Amtskollege Armin Laschet (beide CDU) von einem „guten Tag, einem historischen Tag“ spricht, kommt aus dem sächsischen Dreiländereck eine mahnende Stimme, die lange nicht mehr zu vernehmen war. Heinz Eggert, bis 1995 sächsischer Innenminister und CDU-Bundesvize, warnt vor den psychologischen Folgen für die Bürger in den Kohlegebieten.

Wie die Sächsische Zeitung berichtete, sei dem 74jährigen Theologen bei einer Diskussionsveranstaltung vor allem aufgestoßen, daß weder sein Landtagsnachfolger noch der Zuständige im Dresdner Regionalministerium konkrete Projekte zur Existenzsicherung der Bürger benennen konnten. Zu oft habe er in seiner langen politischen Karriere erleben müssen, daß die Politik zur Lösung von Problemen Förderprogramme aufgelegt habe, „nur um nach dem Ende des Geldes festzustellen, daß die Probleme noch immer vorhanden“ seien.

AfD-Chef Tino Chrupalla, in der Lausitzer Bergbauregion zu Hause, kritisierte die mutwillige Zerstörung einer ganzen Branche. Die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock, bis 2013 Parteichefin in Brandenburg, verlangt aus „Klimaschutzgründen“ den Kohleausstieg bis 2030. Die SPD macht Druck auf Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Die Sozialdemokraten würden dem Enschädigungsvertrag, den die Bundesregierung mit den Kraftwerksbetreibern verhandelt hat, nur zustimmen, wenn man die geheimgehaltenen Expertisen der Wirtschaftsprüfer gesehen habe, zitiert der Spiegel SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Am selben Tag, als der deutsche Ausstiegbeschluß fiel, berichtete das Handelsblatt aus Japan: Hier errichten die Stromkonzerne Tepco und Chuden ein neues Steinkohlekraftwerk. 1,3 Gigawatt sollen die zwei Kraftwerksblöcke ab 2024 ins Netz einspeisen.

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