© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Hieb gegen die Konkurrenz
Videos mit Musik- und Grafikeffekten: Instagram kopiert mit „Reels“ Funktionen bei TikTok
Zita Tipold

TikTok und Instagram, zwei der derzeit beliebtesten sozialen Netzwerke, liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst der jungen Nutzer. Nun hat das zu Facebook gehörende Instagram die Ellenbogen ausgefahren und dem chinesischen Konkurrenten einen empfindlichen Hieb verpaßt. Das digitale Fotoalbum hat eine neue Funktion veröffentlicht: „Reels“. Dabei handelt es sich um 15sekündige Kurzvideos, die mit Musik unterlegt oder mit Effekten bearbeitet werden können. Ob Zeitraffer oder Farbfilter – der Kreativität ist lediglich ein Zeitlimit gesetzt. 

Doch eigentlich gibt es das schon: Bei TikTok vom Entwickler ByteDance können Kurzfilme ebenfalls mit allerlei Effekten gestaltet werden. Das Unternehmen konnte seit seiner Gründung 2018 etwa 800 Millionen Fans für sich gewinnen. Facebooks Tochterfirma verzeichnet derzeit rund eine Milliarde Anhänger, ist aber schon fast zehn Jahre alt. 

Es ist nicht das erste Mal, daß In­stagram fremde Einfälle aufgreiht. Im August 2016 übernahm es die „Story-Funktion“ der App Snapchat, die es Nutzern ermöglicht, Inhalte einzustellen, die sich nach 24 Stunden selbst löschen. Die „Stories“ sollten zunächst andere am eigenen Alltag teilhaben lassen, doch zahlreiche Firmen witterten schnell eine weitere  Werbefläche, über die „Influencer“ Produkte anpreisen können. Die Erweiterung war für Instagram geradezu revolutionär, Snapchat hingegen wurde in seinem Wachstum merklich ausgebremst.  

Während Instagram-Anhänger – bis auf einige polit-mediale Accounts (JF 16/20) – die App bisher meist nutzten, um Bilder von Orten, Mode, Essen oder sich selbst zu teilen, ist TikTok für mehr Tanz- und Gesangseinlagen sowie humoristische Videos bekannt. Einige Nutzer äußerten sich in den Kurzfilmen auch schon politisch, doch der Betreiber sperrte viele Videos, etwa das einer jungen Amerikanerin, die über chinesische Internierungslager sprach. Dagegen haben kritische Beiträge und Alltagsberichte aus Deutschland zu umstrittenen Themen wie Einwanderung oder Ausländergewalt zugenommen, wie zum Beispiel mehrere Videos rund um die „Black Lives Matter“-Proteste zeigen.

Mehr Platz für freie, alternative Inhalte wird „Reels“ auch nicht schaffen. Zum einen sind die sozialen Netzwerke der Facebook Inc. strengen Gemeinschaftsrichtlinien unterworfen, viele gesellschaftskritische Profile werden als vermeintliche Haßbotschaften zensiert. Zum anderen ist die Zeitspanne von 15 Sekunden kaum lang genug, um gewichtige Informationen zu vermitteln. Und: Ein Instagram-Team erstellt die Auswahl öffentlich zugänglicher Reels-Videos.