© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Kein zahnloser Tiger
Vor 50 Jahren wurde auf Initiative von Präsident Richard Nixon das US-Umweltamt EPA gegründet / Milliardenstrafen für VW
Jörg Fischer

Nach dem „Vorbild“ der britischen Guerilla-Bekämpfung in Malaysia genehmigte John F. Kennedy im November 1961 der US Air Force die „Operation Ranch Hand“ – das Versprühen von Herbiziden, um den Dschungel zu entlauben und Reisfelder in Südvietnam zu vergiften. Unter Lyndon B. Johnson wurde ab 1965 im Kampf gegen den Vietcong auch Agent Orange eingesetzt, das TCDD enthielt: Die gesundheitlichen Folgen für Vietnamesen wie US-Soldaten waren grausam, doch das „Seveso-Gift“ schädigte auch das ungeborene Leben und die Umwelt. Erst unter Richard Nixon, im Mai 1970, wurde der Einsatz gestoppt und im Januar 1971 auch der Agent-White-Einsatz (Tordon 101), bei dem die Entlaubung verzögert einsetzte, komplett eingestellt.

In den USA selbst wurde hingegen längst mehr auf die Umwelt geachtet. Dwight D. Eisenhower unterzeichnete 1956 nicht nur das weltgrößte Autobahnbauprogramm, sondern schon ein Jahr zuvor den Air Pollution Control Act zur Luftreinhaltung. Kennedy initiierte 1963 den verschärften Clean Air Act. Der Motor Vehicle Air Pollution Control Act schrieb ab 1967 erste Abgasgrenzwerte vor. Nixon etablierte 1969 auf Nato-Ebene den zivilen Ausschuß zu den Herausforderungen der modernen Gesellschaft (CCMS), der sich Sozial- und Umweltfragen widmete.

US-Naturschützern reichte das nicht, und mit dem demokratischen Senator Gaylord Nelson aus Wisconsin fanden sie einen energischen Verbündeten, der für den 22. April 1970 den ersten „Earth Day“ ausrief – und nicht nur Studenten, sondern Millionen US-Bürger folgten dem Aufruf zu Demos und Veranstaltungen rund um Umwelt und Natur.

Und „Tricky Dick“ Nixon, politisch nicht nur wegen des Vietnamkriegs unter Druck, stellte sich angesichts des Nelson-Erfolgs selbst an die Spitze der Bewegung: Am 9. Juli forderte er den US-Kongreß auf, ein Umweltschutzamt (EPA) und die Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) zu schaffen.

Die am 3. Oktober 1970 gegründete NOAA hat heute 12.000 Beschäftige, ein umfangreiches Netz von Wetter- und Meßsatelliten und ein 5,6-Milliarden-Dollar Budget. Mehr Schlagzeilen macht die am 2. Dezember 1970 gegründete und heute mit 14.000 Mitarbeitern und jährlich neun Milliarden Dollar ausgestattete EPA. Einmal wegen der von ihr überwachten hohen US-Gesundheits-, Luft- und Umweltstandards. Und die EPA ist kein zahnloser Tiger: Zusammen mit der kalifornischen Umweltbehörde Carb deckte sie 2015 das „Dieselgate“ auf – was den VW-Konzern 30 Milliarden Euro kostete. Daß Donald Trump den EPA-Etat kürzen will, sollte Firmen nicht auf künftige Milde hoffen lassen.

 www.epa.gov

 www.noaa.gov