© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „Liebe*r Leser_in!“, JF 28/20

Schlag nach bei Gernhardt!

Was zu diesen sprachzerstörerischen Umtrieben zu sagen ist, konnte man eigentlich schon vor dreißig Jahren, gleichermaßen trefflich wie bissig glossiert, bei einem unserer angesehensten und sprachmächtigsten Literaten lesen. Nämlich dem – gewiß nicht als „räächtz“ oder sexistisch denunzierbaren – großen Robert Gernhardt! Angeregt durch einen, die Auflösung der historisch gewachsenen Pluralbildung wärmstens propagierenden Artikel in der taz – wie man sieht, schon damals ein Tummelplatz und Betreuungsorgan für kulturelle Destruktion – veröffentlichte er in den Jahren 1988/1989 vier längere Texte, mit denen er sich, in der ihm eigenen, unvergleichlichen Art sarkastisch gegen diese Angriffe auf unsere Sprache zur Wehr setzte („Lieblingsplural“, „Lieblingsplural zum Zweiten“, „Lieblingsplural zum Dritten“ und „Lieblingsplural zum Letzten,“ nachzulesen in: Robert Gernhardt, „Über alles. Ein Lese- und Bilderbuch“, Fischer TB, Frankfurt am Main 1986).

Wolfgang Riepe, Braunschweig






Zu: „Ab durch die Mitte“ von Dieter Stein, JF 28/20

Eine Frage der Deutungshoheit

Sicher werden Wahlen in der Mitte entschieden. Aber diese Mitte ist nicht statisch. Dieter Stein legt überzeugend dar, daß „die Mitte“ in den letzten Jahrzehnten erheblich nach links verrückt worden ist. Wer von rechts dagegenhalten will, darf nicht einfach nur in „die Mitte“ streben, sondern muß alles daransetzen, diese Mitte nach rechts zu verschieben und so im Wege des von Stein angesprochenen „Kulturkampfes“ neu zu definieren. Wirklich politisch erfolgreich wird er nur sein, wenn es ihm gelingt, die Deutungshoheit über diese neue Mitte zu gewinnen.

Dr. Matthias Bath, Berlin






Zu: „Aus dem Auge, aus dem Sinn“ von Paul Leonhard, JF 28/20

Es wird einfach alles gelöscht

Tatsächlich erleben wir die Säuberung der deutschen Geschichte. Der neueste Trend ist es, die befleckte Weste zu reinigen, da es als „systemrelevant“ gilt und „Nachhaltigkeit“ verspricht. Ganz alte Flecken werden entfernt (Ernst Moritz Arndt, Humboldt, Robert Koch usw.), warum nicht auch die frischen? Sarrazin ist erledigt, über Günter Grass ist Gras gewachsen, der PC von Edathy ist verschwunden, der des Verkehrsministers wurde gelöscht, ebenso das Handy von Frau von der Leyen. Dann hatten wir noch ein paar peinliche Wahlen zu korrigieren und schon stehen wir wieder sauber da. Die nachhaltigste Säuberung besteht darin, daß man der AfD verbietet, Höcke und Kalbitz auszuschließen. Damit ist es dann legitim, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Die letzten Reinigungen werden dann leichter vonstatten gehen, wenn es keine politische Opposition mehr gibt.

Ferdinand Gesel, Grenzach-Wyhlen




Mißachtung gibt es schon immer

Heute wird viel zuviel als „Rassismus“ bezeichnet. Mißachtung gibt es schon immer, und das nicht nur in eine Richtung. Ich war zugegen, als vor circa 55 Jahren bei einem Freundschaftsspiel in Leipzig (Probstheida) die Fußball-Nationalmannschaft Ghanas die Gegnermannschaft und die Zuschauer mißachtete, indem sie nach lustlosem Spielen und Torrückstand den Platz auf Anweisung des Trainers noch vor der Halbzeit verließen. Zur Wahrheit gehört auch, daß dunkelhäutige Fußballspieler überproportional häufig vom Platz gestellt werden, und nicht, weil der Schiedsrichter ein Rassist ist, sondern wegen der Regelverstöße. Achten wir einfach einander zukünftig mehr! Es fällt mir jedoch schwer, Sympathie für Menschen zu empfinden, die nach einer tödlichen Mißhandlung Supermärkte plündern und Geschäfte anzünden.

Werner Jungmann, Leipzig






Zu: „Vertrauen auf trickreiche Technik“ von Christoph Keller, JF 28/20

Lernresistente Freitagshüpfer

Wer sich täglich vor Augen führen will, mit welcher Traumtänzerei die knallharten Lobbyisten der sogenannten erneuerbaren Energien die gutgläubigen Ahnungslosen in Politik und Medien bis zum ersten Blackout bei der Stange halten, sollte sich die App „Electricity Map“ herunterladen, wo er live ablesen kann, woher in Deutschland und 105 weiteren Ländern und Regionen der Strom aktuell kommt, wie sich Erzeugungs-Mix und Preis in den vergangenen 24 Stunden entwickelten und wie hoch dabei der CO2-erzeugende Anteil jeweils ist. Ein erschreckender Blick in den Abgrund der Wahrheit! Man muß sich dann bloß die Stromlieferung aus deutschen Kernkraftwerken wegdenken, dann erkennt auch der Dümmste, was uns ab 2022 bevorsteht: das deutsche Netz kann nur durch Hochfahren von Kohle, Öl und Gas plus Stromimporten aus anderen Ländern des europäischen Verbundnetzes auch nachts und bei Flaute aufrechterhalten werden. Die lernresistenten Freitags-Hüpfer für einen schnellen Kohleausstieg werden es erst verstehen, wenn ohne Stromnetz Internet und Smartphone ausfallen, die häusliche Bude kalt bleibt und es keinen Sprit für Mamas SUV gibt.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Althoff, St. Wendel






Zum Leserbrief: „Die meisten schauten ungläubig“ von Peter Conrad, JF 28/20

Holland in April 1945 nicht in Not

Diesen Leserbrief habe ich mit großem Interesse gelesen. Als Ortschronist  meiner Heimatgemeinde im Landkreis Landsberg am Lech liegt mir ein ähnlicher Erlebnisbericht eines Zeitzeugen vor: Vor dem Eintreffen der amerikanischen Aufklärer-Vorhut am 27. April 1945 fuhr an einem Gasthof an der Bundesstraße 17 ein Militär-Lkw mit 15 Niederländern in deutscher Wehrmachtsuniform vor, die dringend Wasser benötigten. Sie erklärten, daß sie zum „Hilfszug Joseph Goebbels“ gehörten und auf dem Weg zur Alpenfestung in Berchtesgaden wären. Anschließend zogen sie in einem nahen Wäldchen unter.  Nach weiteren Erzählungen von Einheimischen befand sich in den letzten Kriegstagen in unweiter Nähe, in einem großen Waldgebiet, ein größeres Heerlager mit Lkws und Personal, unter anderem der Organisation Todt zugehörig,  die sich um die Versorgung der Ausgebombten und der Behebung der Bombenschäden in München kümmerte. Als die amerikanische Vorhut eintraf, wurde diese von der Gruppe beschossen. Das Gegenfeuer der Amerikaner erwiderten sie nicht, worauf diese weiter auf der Straße vorrückten. Danach begab sich die Gruppe, unversehrt bis auf einem erhaltenen Streifschuß bei einen Soldaten, wieder schnellstens in den Gasthof und besorgte sich Zivilklamotten. Als später der Haupttroß der Amerikaner eintraf, gaben sie denen ihre Nationalität zu erkennen und erklärten, sie seien bei den Deutschen als Zwangsarbeiter eingesetzt worden. Einige Tage später begaben sie sich mit dem Lkw auf Heimreise; zuvor noch reichlich mit Proviant von den Amerikanern ausgestattet.

Paul Jörg, Denklingen






Zur Haltungsnote: „Selbst Hand anlegen“ von Gil Barkei, JF 28/20

Es ist halt der Zeitgeist

Auf einem Friedhof der Stadt Saarbrücken werden nicht nur die Kriegsgräber vernachlässigt! Ich selbst besuche oft einen kleinen Friedhof mit Soldatengräbern und lege zum Gedenken Blumen ab und zünde eine Kerze an. Meistens verlaufen Beschwerden bei der Verwaltung im Sande, der Zeitgeist halt.

Jürgen Düpre, Saarbrücken






Zu: „Wetterleuchten im Südwesten“ von Michael Paulwitz, JF 27/20

Vorbote schrecklichen Gewitters

Die Regierung geizt mit Informationen, wenn es um ihre Flüchtlingspolitik geht. Zitiert wird in erster Linie das, was ins Konzept paßt. Unangenehmes wird nur so viel preisgegeben, wie unbedingt notwendig. Kritik an der Flüchtlingspolitik wird mit Rassismus gleichgesetzt, um die Diskussion zu unterbinden. Seit 2015 sind zirka zwei Millionen Menschen, meist unkontrolliert, ins Land gekommen, in der Regel junge Männer. Laut einer Studie für das BAMF aus dem Jahr 2015 befanden sich schätzungsweise mindestens 180.000 bis höchstens 520.000 Personen illegal in Deutschland, also ohne Asyl- oder ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus, ohne Duldung und ohne Erfassung. Ausreisepflichtig sind (Frühjahr 2020) über 250.000 Menschen. Sie gehen aber nicht. Ernsthafte Anstrengungen, sie in ihre Heimat zurückzuschicken, gibt es nicht. Über offene Grenzen, Familienzusammenführung und Seenotrettung kommen ständig neue Asylanten hinzu. Die wirtschaftliche Schönwetterlage der Vor-Corona-Zeit mit nur zwei Millionen Arbeitslosen wird sich nicht wieder einstellen. Außerdem wird die Digitalisierung noch viele Arbeitsplätze kosten. Angeblich haben zwölf Prozent der Zuwanderer aus der arabischen Welt einen Fach- oder Hochschulabschluß und acht Prozent eine berufliche Ausbildung. Jeder vierte ist Analphabet, legt man die Daten der arabischen Staaten zugrunde. Wo sind die Arbeitsplätze für all die wenig qualifizierten jungen Männer ohne Deutschkenntnis? Was werden sie tun ohne Arbeit und ohne Frauen, bis sie alt und grau geworden sind? Diese Fragen stehen im Raum. Ganz zu schweigen von den Kosten, die das Land tragen muß. Es ist zu befürchten, daß die Stuttgarter Ereignisse nur ein erstes Wetterleuchten waren.

Dr. Karl Hahn, Bad Salzungen






Zu: „Laßt die Presse in Ruhe“ von Jörg Fischer, JF 27/20

Unter Strauß undenkbar

In einem Meer der Desinformation und des Verschweigens zeigt sich die JF hier wieder als ein Leuchtfeuer der journalistischen Aufklärung, so auch bei diesem kurzen Kommentar. Angesichts des wortmächtigen Franz Josef Strauß wäre auch an dessen kongenialen Gegenspieler von der SPD „Onkel“ Herbert Wehner zu erinnern, der aus dem Abgeordneten Wohlrabe eine „Übelkrähe“ und aus dem Abgeordneten Todenhöfer einen „Hodentöter“ machte. Franz Josef Strauß müßte sich ob so eines CSU-Spizenfunktionärs, einem Weichei wie Generalsekretär Blume, der beim leichtesten Gegenwind kapituliert, eigentlich im Grabe umdrehen.

Peter Streichan, Bonn






Zu: „Kein Schwein gehabt“ von Karsten Mark, JF 27/20

2.000 Pseudo-Infektionen

Der Artikel erzeugt bei mir Unmut. Laut Regelung dürfen Menschen, die aus Gegenden mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern stammen, nicht mehr nach Usedom einreisen. Bei einer Positiv-Fehlerquote von zwei Prozent des Tests wären das (würden alle Einwohner getestet) alleine schon 2.000 Fälle, dazu bedarf es gar keinen Virus mehr.

Peter Roßmann, Bönen






Zu: „Viel besser mit als ohne“ von Georg Pazderski, JF 27/20

Geostrategisches US-Instrument

Während der Verfasser die desaströse Sicherheits-und Verteidigungspolitik der Regierung Merkel treffend beschreibt, zeugt sein Blick auf die Nato von wesentlich weniger Kritik, ja sie ergeht sich in den seit Jahrzehnten bekannten Aussagen vom atomaren Schutzschirm, von den unsere Sicherheit und den Frieden garantierenden USA und von der möglichen Mitsprache, die wir dann hätten, wenn wir den finanziellen „Verpflichtungen“ (zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt) nachkämen. Dieses idealisierte Bild der Nato vom reinen Verteidigungsbündnis ließ sich bis 1990 noch einigermaßen glaubhaft aufrechterhalten. Seither aber wurde immer deutlicher, was die Nato ist und im Grunde schon immer war, nämlich ein militärisches Instrument in den Händen der USA zur Wahrung ihrer geostrategischen Interessen.

Klaus Wiedmann, Plön




Dubiose Drohneneinsätze

Derzeit stellt niemand, mit Ausnahme der Linkspartei, die Nato-Mitgliedschaft Deutschlands in Frage. Eindeutig fragwürdig ist hier vor allem die Präsenz der US-amerikanischen Truppen, etwa mit Blick auf den Luftwaffen- und Logistikstützpunkt Ramstein in der Pfalz und die Kommandozentrale AfriCom und EUCom in Stuttgart, von denen aus weltweite Drohneneinsätze koordiniert und gesteuert werden, deren Einsätze jedenfalls aus deutscher Sicht oft alles andere als völkerrechtskonform sind. Hier machen wir uns mitschuldig. Von deutschem Boden darf kein Krieg ausgehen.

Dieter Krieger, Wiesloch






Zu: „Die nächste Pandemie kommt ganz bestimmt“ von Dieter Menke, JF 27/20

Zu kurz gesprungen

Robert Koch hatte schon vor 100 Jahren recht. Heute ist nur wenigen Ländern im südlichen Afrika erlaubt, Fleisch zu exportieren, nur dort, wo besonders Büffel von Rindern streng getrennt sind, etwa durch den Veterinärzaun in Namibia oder sichere Wildzäune für Nationalparks. Nur spezifisch pathogenfreie Büffel (besonders tuberkulosefrei) können in Rindergebieten gehalten werden. Die im Artikel vorgeschlagene Lösung (Änderung des Lebensstils im Norden), verbunden mit einem finanziell noch stärkeren Engagement im Süden, ist allerdings zu kurz gesprungen. Wenn angesichts der dortigen Bevölkerungsexplosion und der auch kulturell bedingten unkontrollierten Zunahme der domestizierten pflanzenfressenden Wiederkäuer ein ständiger Mehrbedarf an Acker- und Weideflächen besteht, verschärft sich dramatisch der Mensch-Tier-Konflikt. Fehlende Kataster und Korruption begünstigen zudem „land grabbing“ aus dem Ausland sowie illegale Abholzung. Somit wird nicht nur der Lebensraum der Wildtiere weiter drastisch eingeschränkt, die Natur wird immer weiter zerstört, mit den angesprochenen Konsequenzen für die „Biosicherheit“. Als Fachtierarzt für Tropenveterinärmedizin meine ich daher, daß eine kausale Therapie einer symptomatischen vorzuziehen wäre.

Dr. Klaus Koch, Overath