© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Wenn Mutti früh in Rente geht
Quoten-Pläne: Trotz Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer – die CDU gilt als eine Männerdomäne / Das soll sich ändern
Werner Becker

Das dürfte ein heißer Showdown werden. Als böten die Kampfkandidaturen um den Vorsitz auf dem im Dezember anstehenden Bundesparteitag der CDU nicht schon Spannung genug, werden sich die 1.001 Delegierten in Stuttgart auch noch mit einem weiteren heißen Eisen auseinandersetzen müssen: der Frauenquote.

Geht es nach dem Willen der Struktur- und Satzungskommission der Partei, so wird die CDU sie einführen. 50 Prozent der Parteiämter sollen ab 2025 von Frauen besetzt werden. In einer Partei, deren Mitglieder lediglich zu einem Viertel aus Frauen bestehen. Überraschend kommt dieser Vorschlag nicht. Schon im vergangenen Jahr wollte die Frauen-Union die Quote auf dem Parteitag in Leipzig durchsetzen. Doch Empörung und Widerstand waren zu groß. Zähneknirschend ließen sich die Funktionärinnen darauf ein, das Thema in der Struktur- und Satzungskommission zu beraten und zu verschieben.

Kritiker wittern einen Maulkorberlaß

Was Skeptiker damals schon ahnten, ist nun eingetreten. Die Kommission nickte die Quote ab, wenn auch mit Einschränkungen. Herausgekommen ist ein Verfahren, das aufgrund eines komplizierten Reglements bei den Mitgliedern für viel Verwirrung sorgen dürfte. „Wird bei einem Wahlgang von zwei oder mehr Parteiämtern von der Kreisverbandsebene an aufwärts in einem ersten Wahlgang die Frauenquote von einem Drittel nicht erreicht, sind die Wahlen der Frauen und Männer gültig, die die zur Wahl erforderliche Mehrheit erhalten haben.“

Aber: „Für Männer gilt dies nur für Ämter, die zur Erfüllung der Frauenquote nicht erforderlich sind. Sind Parteiämter noch offen geblieben, ist ein zweiter Wahlgang durchzuführen, zu dem weitere Kanditatinnen und Kandidaten vorgeschlagen werden können. Werden auch in diesem Wahlgang nicht genügend Frauen gewählt, um die Frauenquote zu erreichen, bleiben die hierzu erforderlichen Parteiämter unbesetzt.“

Jedoch: „Eine Nachwahl ist jederzeit möglich. Kann die Frauenquote nicht erreicht werden, weil nicht genügend Frauen kandidieren, bestimmt die Anzahl der kandidierenden Frauen die Frauenquote.“ Alles klar soweit? Es wird noch etwas komplizierter: So soll die Frauenquote für Vorstandsmitglieder ab dem 1. Januar 2023 vierzig Prozent und ab dem 1. Januar 2025 fünfzig Prozent betragen. Und: „Bei der Wahl einer ungeraden Zahl von stellvertretenden Vorsitzenden von der Kreisverbandsebene aufwärts wird die Frauenquote unter Einbeziehung des Amtes des Vorsitzenden berechnet.“ 

Schon regt sich Widerstand gegen die Vorschläge der Kommission. In einer Kreisvorsitzendenkonferenz der Jungen Union etwa fand sich kaum jemand, der ein gutes Wort für die Quote übrig hatte. Besonders bei den jungen Frauen stößt sie auf Ablehnung. Man möchte durch Leistung überzeugen und nicht als Quotenfrau abgestempelt werden, so der Tenor. Auch auf dem letzten Parteitag der Schwesterpartei CSU kam die Quote nicht gut an. Für Parteichef Markus Söder wäre sie fast zum Fiasko geworden, als er sie verpflichtend auch auf die Kreisverbandsebene ausweiten wollte.

Kritiker der Quote verweisen insbesonders auf Kommunalwahlen. Dort wird das Bestreben, auch unbekannte Kandidatinnen allein aufgrund ihres Geschlechts mit guten Listenplätzen zu versorgen, regelmäßig durch den Wählerwillen konterkariert; wenn nämlich durch Kumulieren mehrerer Stimmen auf einen Kandidaten auch schlechter plazierte vorbeiziehen können. Auch der hohe Männeranteil in der Bundestagsfraktion oder in den Landtagen ist den Erfolgen bei den per Erststimme gewählten Direktkandidaten geschuldet – trotz aller bereits länger forcierten Bemühungen, Frauen mit guten Listenplätzen zu versorgen. 

Doch die Quote ist auch ein innerparteiliches Machtinstrument der Frauen-Union. Kommt sie zur Anwendung, entwickelt sich diese Vereinigung zum entscheidenden Faktor jeder Mehrheitsbildung. Die Frauen-Union galt einst eher als unbedeutendes Anhängsel, dessen Mitglieder im Monatsrhythmus Frauenfrühstücke abhielten und sich im Winter zum Plätzchenbacken trafen. Diese Zeiten sind lange vorbei. Bereits in den neunziger Jahren entwickelte sie sich unter ihrer langjährigen linkslastigen Vorsitzenden Rita Süssmuth zum entscheidenden Machtfundament der späteren Bundeskanzlerin Angela Merkel und hatte auch an der Wahl von deren Nachfolgerin im Amt der Parteivorsitzenden 2018 maßgeblichen Anteil.

Fast unbemerkt blieben bisher zwei weitere Änderungsvorschläge zu den CDU-Statuten. So sollen die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als Sonderorganisation anerkannt werden. Und: Geht es nach der Kommission, könnte sich künftig ein Mitglied bereits dann parteischädigend verhalten haben, wenn es „in sozialen Medien gegen die CDU und ihre Repräsentanten nachdrücklich und fortgesetzt Stellung nimmt und dabei erhebliche Verbreitung erlangt“. Das zielt klar gegen Repräsentanten der Werte-Union. Besonders Merkel-Kritiker innerhalb der Partei bewerten das als Maulkorb-Erlaß.