© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Ländersache: Rheinland-Pfalz
Abstimmen, bis es paßt
Christian Vollradt

Wie sie es auch machen, immer ist es falsch. In Thüringen hatte die AfD einen Ministerpräsidenten von der FDP mitgewählt, was nicht sein durfte und deshalb rückgängig gemacht wurde.  Im rheinland-pfälzischen Neuwied dagegen enthielt sich die AfD-Fraktion im Stadtrat – und sorgte so dafür, daß ein SPD-Bürgermeister im Amt bleiben darf; was nun auch wieder nicht recht ist … 

Von „Thüringen 2.0“ am Fuße des Westerwalds war daher schon die Rede. Was Michael Mang (SPD), stellvertretender Rathaus-Chef der 65.000-Einwohner-Stadt nahe Koblenz, mit dem liberalen Kurzzeit-Premier Thomas Kemmerich verbindet: daß die eigenen Leute ihn fallenlassen, um nicht als Bündnispartner der AfD dazustehen.

Weil sie ihm finanzielle Verfehlungen und ein unglückliches Händchen in Personalfragen vorwerfen, wollte die sogenannte „Papaya-Koalition“ aus CDU, Grünen und Freien Wählern den sozialdemokratischen Bürgermeister abwählen. Weil sich dessen Genossen dem Ansinnen widersetzten, hätte man die Stimmen aller oppositioneller Kleinparteien plus die der fünf AfD-Stadträte benötigt. Im Vorfeld wetterte also die Landes-SPD gegen Union und Grüne, sie planten den Mang-Sturz in Kooperation mit den „Rechtspopulisten“. Doch die Papaya-Koalitionäre verweigerten den Dialog mit der AfD. Mang unterdessen hat – als Bürgermeister nicht ungewöhnlich – allen Fraktionen ein Gesprächsangebot gemacht und ein Telefonat mit AfD-Fraktionschef René Bringezu geführt. 

Darin sicherte Mang unter anderem zu, freiwillig zurückzutreten, sollte eine juristische Prüfung die ihm vorgeworfenen Verfehlungen bestätigen. Anders als bei einer Abwahl stünden Mang dann nicht 71 Prozent seiner Bezüge zu, rund 410.000 Euro. Diesen finanziellen Aspekt dürfe man angesichts der angespannten Kassenlage in der Kommune nicht außer acht lassen, so AfD-Kommunalpolitiker Bringezu. Schließlich kämen ja noch die Bezüge eines neuen Bürgermeisters dazu. Deswegen enthielt sich die AfD, und Mang konnte im Amt bleiben.

Umgehend drehte die Landes-CDU den Spieß um, empörte sich über einen „SPD-Bürgermeister von AfD-Gnaden“. Die lokalen Medien attestierten der AfD, sie habe als Zünglein an der Waage die anderen Parteien erfolgreich vorgeführt und wie in Thüringen eine „konstruktiv-destruktive Strategie“ verfolgt. Tatsächlich aber, so betont René Bringezu im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT, sei das Ergebnis nur der „undemokratischen Ausgrenzung“ seiner Partei geschuldet. Seine Kollegen und er hätten mitnichten „einen Hinterhalt“ gelegt“, sondern nüchtern und ohne Emotionen im Interesse der Bürger gestimmt. Der Neuwieder Landtagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Jan Bollinger, mahnte die anderen Parteien zur Besonnenheit. 

Doch die reagieren angesichts des bundesweiten Echos eher alarmiert. Nachdem die Landesspitze der SPD den Genossen vor Ort den Marsch geblasen hatte, kündigten die nun an, im August einen eigenen Abwahlantrag gegen Mang zu stellen. Der Bürgermeister könne nicht mehr im Amt bleiben, darauf hätten sich die „sieben demokratischen Parteien“, darunter CDU, Grüne, Freie Wähler aber auch die Linkspartei, gemeinsam verständigt.