© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Kaddor kassiert Klatsche vor Gericht
Henryk M. Broder wird vom Vorwurf der Beleidigung der Religionspädagogin Lamya Kaddor freigesprochen
Werner Becker

Die Mühlen der deutschen Justiz mahlen langsam. Diese Erfahrung mußte nun auch der Publizist Henryk M. Broder machen. Fast vier Jahre ist der Vorgang her, der am vergangenen Montag vor dem Amtsgericht in Duisburg verhandelt wurde. 

Rückblick: Es ist der 30. September 2016. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor macht Broder in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger dafür verantwortlich, daß sie Drohungen und Haßmails erhalte. Dies geschehe regelmäßig, wenn er sich öffentlich über sie lustig mache. Die JF fragte bei Broder an, was er zu dem Vorwurf sage. Kaum überraschend wies dieser die Anschuldigung zurück und äußerte seine Sicht der Dinge. Wenig später erschien dazu eine knappe Meldung auf der Internetseite der JF. Kaddor stellte daraufhin Strafanzeige gegen Broder wegen Beleidigung. Der Publizist habe gesagt, sie habe „einen an der Klatsche“. 

Statt das Verfahren mit Verweis auf die Meinungsfreiheit oder wegen Geringfügigkeit einzustellen, erläßt die Staatsanwaltschaft Duisburg im Februar 2018 Strafbefehl über 2.000 Euro gegen Broder. Sie beschuldigt ihn, er habe „seine Mißachtung gegenüber der Geschädigten“ kundgetan und beabsichtigt, „sie in ihrer Ehre zu verletzen“. 

Erste Verhandlung endet nach wenigen Minuten

Da Broder Widerspruch einlegt, kommt es im Mai 2019 zur Verhandlung. Broders Anwalt Joachim Steinhöfel fragt im Prozeß, ob die Anklage lediglich auf der Grundlage eines Zeitungsartikels beruhe und ob überhaupt zweifelsfrei nachgewiesen werden könne, daß Broder die ihm zur Last gelegte Äußerung getätigt habe. 

Da die Staatsanwältin die Frage nicht beantworten kann, wird die Verhandlung schon nach zehn Minuten vertagt. Man will nun bei der JF nachfragen. In Berlin trifft in der Redaktion der JUNGEN FREIHEIT im Juni 2019 ein Fax der Berliner Polizei ein. Ein Polizeikommissar fragt mit freundlichen Grüßen, welcher Redakteur sich hinter dem Namenskürzel „krk“ am Ende der Broder-Meldung verberge. 

Die Staatsanwaltschaft Duisburg habe in dieser Sache um Hilfe gebeten. Zwar hätte sich das mit einem Klick auf das Impressum der JF klären lassen können, doch die Duisburger Justiz bevorzugt offenbar den umständlichen Weg. Nachdem die JF der Polizei mitgeteilt hat, daß das Kürzel dem Online-Redakteur Felix Krautkrämer gehört, erhält dieser wenige Tage später eine Ladung zur Zeugenvernehmung bei der Berliner Polizei. Allerdings beruft er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist. Die Berliner Polizei teilt das der Staatsanwaltschaft Duisburg mit und schließt den Aktendeckel. 

Im Jahr drei nach dem Erscheinen der Online-Meldung zu Kaddor erhält Krautkrämer Anfang August eine Ladung des Amtsgerichts Duisburg. Er solle am 16. September als Zeuge in der Strafsache „gegen Broder wegen Beleidigung“ erscheinen. Wenige Tage vor der Verhandlung wird der Termin jedoch verschoben. Es vergehen weitere Monate. Mitte Januar 2020 dann die nächste Ladung. Nun soll am 13. Juli verhandelt werden. Die Corona-Welle erfaßt die Welt. Auch in Deutschland kommt das öffentliche Leben zum Stillstand. Anfang Juli die Nachfrage bei Gericht. Findet der Prozeß wie geplant statt? Ja, findet er. Und so trifft man sich erneut in Duisburg. 

Die Staatsanwaltschaft erntet keinen Applaus

Ein gutes Dutzend Journalisten ist zum Sitzungssaal 101 gekommen. Broder, lässig mit Turnschuhen und T-Shirt, antwortet auf die Frage der Richterin nach seinem monatlichen Nettogehalt spitzbübisch: „Das kennt nur meine Frau und so soll es auch bleiben.“ Er ist extra aus dem isländischen Reykjavík für den Prozeß angereist. Kaddor, die als Zeugin geladen ist, ist dagegen nicht zu sehen. 

Dafür wird JF-Redakteur Krautkrämer als weiterer Zeuge aufgerufen. Ob ihm Broder bekannt sei, möchte die Richterin wissen. „Aus Funk und Fernsehen“, bejaht er die Frage. „Und persönlich?“ „Nein.“ Als die Richterin fragt, wie das Interview seinerzeit mit Broder zustande gekommen sei, macht der Zeuge von seinem Recht als Journalist Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Die Richterin scheint kaum erstaunt zu sein. Und so endet das Verfahren bereits nach wenigen Minuten. 

Die Staatsanwältin plädiert auf Freispruch, entsprechend lautet das Urteil der Richterin. Zuvor macht Steinhöfel jedoch nochmal deutlich, was er von dem gesamten Verfahren hält. Es sind keine freundlichen Worte, die Richterin und Staatsanwältin an diesem sonnigen Julitag zu hören bekommen. Der MSV Duisburg spiele in der dritten Liga, sagt Steinhöfel nach dem Prozeß. „Ich wünschte, ich könnte das auch über die Duisburger Justiz sagen.“ Die Kosten für das Verfahren trägt der Steuerzahler. Wüßte man es nicht besser, man könnte fast meinen, die Duisburger Justiz habe einen an der Klatsche.