© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Katars Versprechen
Die Fußball-WM 2022 soll ganz nachhaltig werden
Rolf Tüngel

Aussagen im New Yorker Prozeß gegen Fifa-Funktionäre bestätigten den Verdacht, daß die Vergabe der Fußball-WM 2022 an den reichen Öl- und Erdgasstaat Katar durch Bestechung zustande kam. Da das für seine Islamisten-Unterstützung wie für die Ausbeutung von indischen und nepalesischen Gastarbeitern berüchtigte Wüstenemirat am Persischen Golf aber mit seinen WM-Bauten weit vorangeschritten ist, erscheint eine Neuvergabe der Spiele unwahrscheinlich.

Immerhin setzte die Fifa durch, daß das Spektakel vom 45 Grad heißen Sommer auf den Spätherbst verschoben wurde. Bis auf Al-Chaur, eine Küstenstadt im Norden Katars, liegen alle Austragungsorte innerhalb eines 30-Kilometer-Radius um die Hauptstadt Doha. Und daher wurde eine klimaneutrale, nachhaltige „WM der kurzen Wege“ zugesagt. Ein vollmundiges Versprechen, das die Geographin Nadine Scharfenort (Universität Trier) hinterfragt. Bisher nimmt der Ausbau von Sportarenen, der Hotellerie mit 60.000 neuen Zimmern, der Gastronomie und des Transportwesens kaum ökologische Rücksichten (Geographische Rundschau 6/20).

In der Hauptstadt Doha und in deren Umland, wo alle Bauten entstehen, verdichte sich der Stadtraum, nehme die Versiegelung des Bodens und der Verlust von knappen Frei- und Grünflächen zu – bei gleichzeitigem Bevölkerungszuwachs: 70 Prozent der 2,8 Millionen Einwohner ballen sich in der Doha Metropolitan Region. Hohe Temperaturen, enormer Wasserverbauch, Luftverschmutzung und die Bildung städtischer Wärmeinseln seien schwerlich „ökologisch nachhaltig“. Und erst recht nicht „klimaneutral“, so daß Katar seinen zweiten Platz auf der Rangliste der Nationen mit dem höchsten CO2-Fußabdruck wohl bald mit dem führenden Kuwait tauscht.

Zwar klinge das Konzept der „kurzen Wege“ plausibel und innovativ. Doch wegen des geringen arabischen Fanpotentials werde das Gros der Besucher aus Europa, Amerika und Asien anreisen – das Ende der Corona-Pandemie bis dahin vorausgesetzt. Zudem seien die seit 2009 angekündigten Bahnverbindungen in die anderen Emirate bisher „Lippenbekenntnis“ geblieben. Auch der erwartete Boom der derzeit darbenden Kreuzfahrtbranche, die zum Mega-Event profitable Sonderreisen offerieren werde, drücke auf die ökologische Gesamtbilanz und bringe zusätzliche Emissionen, Abfall und Lärm.

Die Golfstaaten-Expertin Scharfenort glaubt trotzdem, es sei noch zu früh, den Stab über Katar zu brechen. Obwohl sie jenseits der ökologischen Debatte unweigerlich einen soziokulturellen Konflikt heraufziehen sieht: Was passiert, wenn westliche Konsumentenscharen auf eine Bevölkerung treffen, die dem orthodoxen Wahhabismus gehorcht, Geschlechtertrennung praktiziert und öffentlichen Alkoholgenuß ebensowenig toleriert wie freizügige Kleidung?

 www.fifa.com

 www.scharfenort.org