© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Mit Druck und Festnahmen zum Erfolg
Weißrußland: Europas letzter Diktator macht sich für die nächste Runde bereit
Paul Leonhard

Weißrußlands neuer Präsident wird nach den Wahlen am 9. August wohl der alte sein: Alexander Lukaschenko. Seit 1994 im Amt, gilt er ob seines autoritären Regierungsstils als „letzter Diktator“ Europas. Daß Lukaschenko überhaupt kandidieren darf, verdankt er seiner Weitsicht. Bereits im Oktober 2006 hatte er per Referendum einen Verfassungspassus streichen lassen, der die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Perioden begrenzte. 

Aktuell sorgt der inzwischen 65jährige dafür, daß seine ärgsten Konkurrenten, Viktor Babariko und Valerij Zepkalo, zu den Wahlen nicht zugelassen wurden. 

Bei Zepkalo, dem ehemaligen weißrussischen Botschafter in den USA, hatte die Wahlkommission befunden, daß 75.000 der eingereichten 160.000 Unterstützungsunterschriften nicht gültig waren. 100.000 hätte er benötigt. Babariko – er hatte erst im Mai seine Kandidatur erklärt und 400.000 Unterstützerstimmen erhalten – sitzt dagegen seit Juni wegen des Vorwurfs der Geldwäsche in Untersuchungshaft. Dem ehemaligen Vorsitzenden der dem russischen Konzern Gazprom gehörenden Belgazprombank in Minsk werden Unregelmäßigkeiten in seinen Finanzanlagen und die Beteiligung des russischen Geldinstituts an seinem Wahlkampf vorgeworfen. Auch gegen Zepkalo wurde inzwischen vom Innenministerium eine Untersuchung zu „illegalen Aktivitäten“ eingeleitet.

Brüssel scheut die offene Konfrontation

So ruht die Hoffnung der Opposition, ursprünglich wollten fünf Oppositionsparteien mit einem gemeinsamen Kandidaten antreten, auf der weitgehend unbekannten Fremdsprachensekretärin Swetlana Tichanowskaja. Diese ist anstelle ihres ebenfalls inhaftierten Ehemannes, des Video-Bloggers Sergej Tichanowski, angetreten, hat aber bereits angekündigt, aus Angst um ihre Kinder und die Eingesperrten keinen offensiven Wahlkampf führen zu können. 

Insgesamt sind neben Amtsinhaber Lukaschenko – er hat fast zwei Millionen Unterstützerstimmen erhalten – vier Kandidaten zugelassen. Drei davon gelten als „falsche Oppositionskandidaten“, die lediglich der Wahl einen demokratischen Anstrich geben sollen: der Sozialdemokrat Siarhei Cherechen (BSDH), der Co-Vorsitzende der Partei „Sag die Wahrheit“, Andrej Dmitriev, sowie Hanna Kanapatskaja, die von 2016 bis 2019 im Parlament saß. 

Letztere kündigte an, sich für „Menschlichkeit, gute Nachbarschaft, politische Neutralität und Freiheit“ einsetzen zu wollen und „die destruktiven Prozesse“, denen insbesondere die Menschen in den Provinzen ausgesetzt seien, zu reformieren. Ein Versuch Kanapatskajas, die gemeinsame Kandidatin der Opposition zu werden, scheiterte.

Lukaschenko setzt im Wahlkampf auf bewährte Praktiken: juristischen Druck und Festnahmen. Vor zehn Jahren hatte er vier Präsidentschaftskandidaten am Wahltag kurzerhand wegen „Durchführung einer nicht genehmigten Kundgebung“ verhaften lassen. Auch gegenwärtig gibt es in den großen Städten des Landes machtvolle Proteste. Sicherheitskräfte, viele von ihnen wurden einst von deutschen Spezialisten geschult, sollen seit Mai mehr als 900 Demonstranten festgenommen haben. Es sei das erste Mal, daß sich laute Kritik der Bevölkerung kurz vor einer Wahl Bahn bricht, staunt Franak Viacorka, Redakteur von Radio Free Europe. 

Die EU-Kommission bedauert, daß es keinen „bedeutsamen und konkurrenzfähigen politischen Wettbewerb“ gebe, drückt sich aber vor einer direkten Einmischung. Offenbar hat man in Brüssel aus den Erfahrungen mit der Ukraine gelernt und möchte nicht einen neuen Krisenherd provozieren. Das dem Bund der blockfreien Staaten angehörende Weißrußland gilt als wichtige strategische Pufferzone zwischen Rußland und der Nato.