© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Grüße aus Helsinki
Die neue Partyszene
Olli Kotro

Die weiße Tochter der Ostsee, Helsinki, wacht langsam auf, nach einer langen Periode, in der alles abgeschlossen war. Die Corona-Krise hat auch in Finnland viele betroffen, da alle Restaurants und Cafés bis zum 31. Mai geschlossen waren. Langsam kommen die alten guten Themen zur Diskussion. In Finnland ist der Winter viel länger als in Mitteleuropa, und alle Straßen- und Gleisarbeiten müssen mehr oder weniger zwischen April und November gemacht werden. Deshalb versucht die Stadt Helsinki die Arbeiten besser zu koordinieren. Manchmal gibt es aber so viele Löcher in den Straßen, daß sich manche fragen, ob man hier Öl oder einen alten Friedhof der Indianer sucht. Der erste kommunalpolitische Skandal ist auch schon da. So wird Bürgermeister Jan Vapaavuori, von der konservativen Sammlungspartei (Kok), vorgeworfen, sein Führungsstil sei zu despotisch, da der 55jährige mit seinen Stellvertretern und Ressortchefs gar nicht mehr spreche.

Wer noch glaubt, daß die finnische Hauptstadt nicht „international“ sei, der irrt sich.

Helsinki hat aber vieles vor. Wer sich im Zentrum aufhält, bemerkt die großen Schiffe, die nach Stockholm fahren. Viele sagen, man sollte die Strände für die Bürger öffnen, den neuen Güterhafen im östlichen Stadtteil Vuosaari (Sundinsel) noch erweitern und die Schiffe dorthin schicken. Es wird noch lange dauern, bevor im Rathaus eine Entscheidung gefällt wird. Doch die Verkehrsprobleme werden immer schlimmer, und unendlich lange können und wollen die Bürger nicht mehr warten. Es gibt auch Lichtblicke. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierten viele öffentliche Saunen in Helsinki, inzwischen ist eine nach der anderen verschwunden. Doch jetzt endlich ist die Tendenz wieder steigend, und es gibt wieder mehrere öffentliche Saunen. Wem das nicht gefällt, der kann den schönen Hietaniemi-Sandstrand im zentral gelegenen Stadtteil Töölö besuchen – nur wenige europäsche Hauptstädte können da mithalten.

Doch da ist nicht immer eitel Sonnenschein. Eine „Stuttgarter Partyszene“ gibt es inzwischen auch hier. Als die Polizei in der Nacht des 20. Juni am Sandstrand eine Schlägerei beruhigen wollte, wurde sie mit Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen. Erst nachdem 30 Polizeieinheiten zur Verstärkung angekommen waren, konnte der Platz gesichert werden. Die Leitmedien haben über die Täter wenig berichtet, aber bald wußte dann ganz Finnland, welche „Leute“ festgenommen wurden. Wer glaubt, daß Helsinki nicht „international“ sei, der irrt sich.