© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Was gefällt, ist keine Geschmackssache
ARD riecht rechte Umtriebe: Ein Oberstleutnant der Bundeswehr setzte die falschen „Likes“
Hermann Rössler

Wie fortgeschritten die Gesinnungsschnüffelei in manchen Redaktionsstuben ist, veranschaulichte kürzlich das NDR-Politmagazin „Panorama“. Vergangenen Donnerstag abend schwärzte die öffentlich-rechtliche Anstalt in dem Programm einen Oberstleutnant der Bundeswehr, Marcel B. (41), an, und warf ihm vor, in den sozialen Medien mit Rechtsextremen vernetzt zu sein. 

Der Beweis: Der einsatzerfahrene Soldat markierte zwei Beiträge auf der Plattform Instagram eines Accounts mit dem Namen „incredible bramborska “ mit einem Herz, was einer „Gefällt mir“-Angabe (Like) gleichkommt. Zu den Fotos fatale soll ein Urlaubsbild des Nutzers gezählt haben, das unter anderem mit dem Hashtag (#) „defend europe“ versehen war. In dem anderen Beitrag war die Kaplaken-Reihe des Verlags Antaios zu sehen, mit der Unterschrift, „es gibt Lektüren, die Impfungen gleichen“. Der Account von „incredible bramborska“, der sich laut NDR als „kernreaktionär“ und „identitär“ bezeichnet haben soll, ist nicht mehr auffindbar.

Für „Panorama“ ist die Lage eindeutig

Bis zu dem Zeitpunkt war der Offizier als Mitarbeiter des Presse- und Informationsstabs im Verteidigungsministerium (BMVg) unter anderem für soziale Medien zuständig. Bis auf weiteres ist der Afghanistan-Veteran und Buchautor seiner Funktionen enthoben; die Ermittlungen laufen. 

Im Juni hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Identitäre Bewegung (IB) als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet. Das Institut für Staatspolitik und der Verlag Antaios würden als Verdachtsfall beobachtet werden, teilte das BfV mit.  

Für die Verantwortlichen der Recherche, Katrin Kampling und Caroline Walter, ist die Sachlage eindeutig. „Defend Europe“ sei ein „Kampfbegriff“ der IB, „mit dem pauschal der Islam und alles Fremde abgelehnt wird“. Die Unterschrift des anderen Bildes interpretieren die zwei Journalisten wie folgt: „Die Bücher des Antaios-Verlags sollen offenbar immunisieren gegen die offene Gesellschaft.“ 

Die Reaktionen des Fernseh-Publikums ließen nicht lange auf sich warten. In den sozialen Netzwerken sammelte sich unter dem Hashtag „Panoramagate“ Kritik an dem Vorgehen der Journalisten des öffentlich-rechtlichen-Rundfunks. Begriffe wie „Hexenjagd“ und „Gesinnungsschnüffelei“ tauchten auf. 

Panorama schien unter Zugzwang geraten zu sein. Jedenfalls legten die beiden Autorinnen mit weiteren scheinbaren Enthüllungen über den Oberstleutnant nach. Dieser habe nämlich auch im Studienzentrum Weikersheim und bei der Münchner Burschenschaft Cimbria referiert. Die zwei Einrichtungen gehörten zum Umfeld der Neuen Rechten, was für die ÖRR-Journalisten eine Vernetzung des Offiziers in diese Kreise belegt. 

Die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth und die Wiener „Rechtsextremismus-Expertin“ Natascha Strobl bestätigen das im Text. Strobl nennt es einen „Skandal“.  

Viele Medien, darunter die Welt und die NZZ, nahmen sich des Falls an. Verschiedene Journalisten bemängelten eine nicht ausreichende Beweislage. Weder ist erwiesen, daß besagter Account-Inhaber tatsächlich Anhänger der IB ist, noch daß der Oberstleutnant mit dem Like eine tatsächliche Zustimmung über die Inhalte kundtun wollte. Kontakte zu einem IB-Mitglied oder anderen Angehörigen der Neuen Rechten sind ebenfalls nicht dokumentiert. Weder das Studienzentrum Weikersheim noch die Burschenschaft Cimbria stehen wegen extremistischer Bestrebungen im Fokus des Verfassungsschutzes. Hingegen lassen sich Kurth und Strobl Verbindungen ins linksradikale Milieu ohne weiteres nachweisen. 

Auf der Homepage der Autonomen Antifa Freiburg findet sich ein Eintrag von 2013, in dem Kurth als Besucherin einer Infoveranstaltung über Burschenschaften aufgeführt ist, merkte der Welt-Kolumnist Don Alphonso an. Strobl trat unter anderem bei der linksextremistischen Interventionistischen Linken (IL) auf. Sowohl die Antifa Freiburg als auch die IL fanden bereits Eingang in Verfassungsschutzberichte der Länder.  

„Panorama“ sieht darin jedoch kein Problem. Unter dem Titel „Schräge Vorwürfe gegen Panorama“ rechtfertigt die Redaktion ihre Vorgehensweise. Alles sei nach sauberer journalistischer Methode verfaßt worden. Die Anfeindungen gegen den Sender kämen von „einschlägigen ‘Medien’“. Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT teilt der NDR mit, damit seien „Medien gemeint, die journalistische Grundstandards nicht einhalten“. Strobl sei zudem „eine anerkannte Expertin“, die auch in anderen Medien zum Thema Rechtsextremismus regelmäßig interviewt würde. 

Im Interview mit dem Spiegel ergriff der Oberstleutnant dann selbst das Wort. Seine „Gefällt mir“-Angaben nannte er einen „fatalen Fehler“. Den Account-Inhaber von „incredible bramborska “ kenne er nur flüchtig. Seine eigene politische Einstellung beschreibt er als „zentristisch“, zu Rechtsextremen pflege er keinerlei Kontakte. Auch die Vorträge bei der Burschenschaft und im Studienzentrum würde er nach seinem jetzigen Informationsstand nicht mehr halten. 

Der Instagram-Account von Marcel B. ist nach wie vor öffentlich einsehbar. Ziemlich offensichtlich setzt er sich für eine „vielfältige“ Bundeswehr ein, wie sie von der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gewünscht wird. Auch beim Brandbrief vom Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK), in dem dieser rechten Soldaten den Kampf ansagt, drückte Bohnert auf den Herz-Button. All das berichtete „Panorama“ nicht.