© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Ein Zauderer im Schatten Luises
Vor 250 Jahren wurde in Potsdam der preußische König Friedrich Wilhelm III. geboren
Jürgen W. Schmidt

Im Gegensatz zu seiner Ehefrau Königin Luise, die neben König Friedrich dem Großen wohl zu den bekanntesten und populärsten Mitgliedern des Hauses Hohenzollern zählt, ist König Friedrich Wilhelm III. aktuell so gut wie vergessen. Allenfalls sein Wirken in den Befreiungskriegen gegen Na-poleon, wozu der aufrüttelnde Aufruf „An mein Volk“ und die Stiftung des Eisernen Kreuzes zählen, lassen ihn hier als politische Randfigur aufscheinen. Dabei war dieser preußische König keineswegs unintelligent und auch künstlerisch, vor allem musikalisch und zeichnerisch, veranlagt. 

Er zeichnete sich durch bürgerliche Tugenden aus

Am 3. August 1770 kam er als Sohn eines Neffen von Friedrich dem Großen, des späteren preußischen Königs Friedrich Wilhelm II., und einer Prinzessin aus dem Hause Hessen-Darmstadt zur Welt. Gegenüber seinem verschwenderischen und die Frauen liebenden Vater, allgemein als der „dicke Lüderjan“ bekannt, zeichnete sich der hochgewachsene Kronprinz Friedrich Wilhelm durch ausgesprochen bürgerliche Tugenden wie Ordnungsliebe, Sparsamkeit, großen Familiensinn und ungekünstelte Einfachheit aus. In einer Zeit, als Ehen unter regierenden Fürstlichkeiten, hierzu gehörte der künftige preußische König in herausragender Weise, vor allem aus politisch-dynastischen Gesichtspunkten geschlossen wurden, ertrotzte es der Kronprinz, seine Gattin aus Liebe zu heiraten. Prinzessin Luise stammte aus einem den Hohenzollern engverwandten und befreundeten Fürstenhaus zu Mecklenburg-Strelitz. 

Diese Heirat war insofern ein großer Glücksfall für das Haus Hohenzollern, als dem künftigen preußischen König erhebliche Makel im Umgang mit Menschen anhafteten. Er war öffentlichkeitscheu und wirkte kalt und zurückhaltend im persönlichen Auftreten. Dies war aber keineswegs Adelsdünkel, sondern entsprang Minderwertigkeitsgefühlen, von denen sich der König zeitlebens nicht frei machen konnte. Hinzu kam, daß er stets abgehackt, dazu weitestgehend ohne Verwendung von Personalpronomen und die Verben fast stets nur im Infinitiv verwendend, sprach. 

Weil ein Monarch in Preußen ein guter Rhetoriker sein mußte, kann man sich vorstellen, wie diese psychologisch bedingten Mängel den jungen Kronprinzen, seit 1797 dann König von Preußen, während seiner Schul- und militärischen Ausbildung hemmten sowie später in seinen Regierungsgeschäften belasteten. Hinzu kam, daß der König aus Furcht etwas falsch zu machen von einer ausgeprägten Entscheidungsscheu war und ein Problem lange und allseitig betrachtete, bevor er sich zu Anordnungen aufraffen konnte. Gerade die militärischen Berater des Königs, zu denen ab 1807 vor allem Scharnhorst gehörte, haben oft über diese Entscheidungsschwäche des Königs gestöhnt. Deshalb war es seit der Heirat menschlich ein großer Glücksfall für Friedrich Wilhelm, daß von 1793 bis zu ihrem frühen Tod 1810 die in Preußen überaus populäre Königin Luise an seiner Seite stand. 

Beide führten ein vorbildliches, unprätentiöses Familienleben, welches mit neun Kindern, darunter der spätere Kaiser Wilhelm I., gesegnet war. Die lebhafte, rhetorisch gewandte Königin übernahm, ihren Mann dabei kräftig stützend, häufig die ihm lästigen Repräsentationspflichten und war ihm eine stete, wenn auch nicht immer mit ihren Ratschlägen richtigliegende Beraterin. In einer für das Königreich Preußen existenzbedrohenden Zeit, aus der französischen Republik wurde das expansiv-aggressive französische Kaiserreich unter Napoleon Bonaparte, mußte sich Preußen in den Zeitstürmen behaupten. 

Dem zudem durch die heftige Kriegsniederlage von 1806/07 mental angeschlagenen preußischen König diente seine Frau als moralische Stütze bis zu ihrem frühen Tod. Auch wenn Friedrich Wilhelm III. unter heftigem innerpreußischem Druck stehend schließlich 1813 gemeinsam mit dem russischen Zaren und dem Kaiser von Österreich einen neuen Waffengang mit Frankreich wagte und diesen auf dem Wiener Kongreß mit einer erheblichen territorialen Erweiterung Preußens und dessen Aufstieg zur europäischen Großmacht siegreich beendete, dokumentierten die Ereignisse eindeutig die Begrenztheit der Herrschereigenschaften von Friedrich Wilhelm III.

Zu allen grundlegenden Reformen, welche das Königreich Preußen 1808 bis 1813 durchlebte, mußte er beständig genötigt werden. Wirtschaftlich jedoch vollzog Preußen unter Friedrich Wilhelm III. nach den Befreiungskriegen eine lang anhaltende Aufstiegsphase. Dem damals aufkommenden Eisenbahnwesen widmete der König seine Förderung und reiste im letzten Lebensjahr persönlich von Berlin nach Potsdam per Bahn. Wenig bekannt ist, daß der am 7. Juni 1840 verstorbene König den heute noch von der Bundeswehr gespielten Präsentiermarsch komponierte und Beethoven ihm seine 9. Sinfonie widmete.