© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Grüße aus Prag
Eine Stadt atmet auf
Marc Zoellner

Endlich läßt Prag die Maske fallen: Eine ganze Stadt an der Moldau atmet auf. Dabei war es faszinierend zuzusehen, wie diszipliniert und auch mit etwas Stolz in der Brust die Tschechen ihre Coronaschutzmasken zur Schau getragen hatten. Immerhin war Tschechien europaweit das allererste und gleich nach Venezuela sowie Vietnam weltweit das dritte Land, in dem das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit zur Pflicht wurde, um die Ausbreitung des Covid-19-Virus zu unterbinden. Seit dem 19. März, nur drei Tage nach der Grenzschließung zu seinen Nachbarländern, kosteten Verstöße gegen diese Verordnung satte 20.000 Tschechische Kronen, umgerechnet rund 750 Euro. Erst einen Monat später zog Deutschland als letztes Land Europas in diesem Schritt nach; allerdings ohne bundesweit Geldstrafen bei Verstößen auszusprechen.

„Ermordet von Kommunisten!“ ist überall in der Stadt auf großen Transparenten zu lesen.

Erstaunlich war die Wandlung, die sich in Prag vollzog. Noch am Abend des 30. Juni sah man in den Einkaufsmeilen der tschechischen Hauptstadt nicht einen Einheimischen ohne Maske flanieren. Nur einen Tag später waren zur selben Zeit in den gleichen Geschäften Coronamasken förmlich zur Seltenheit geworden. Überhaupt wurde unser mitteleuropäischer Nachbarstaat – zum Glück seiner Bürger – von der Pandemie recht gnädig verschont. 

Anfang  Juli wußten die Prager diesen Umstand groß zu feiern: Mit einem mehrere hundert Meter langen, reichlich gedeckten Bankettisch, der sich längs der historischen Karlsbrücke erstreckte und zum Mittagsschmaus rund 2.000 Gästen Sitzplatz bot.

Bei Seemannsmusik feierten die Prager ihre Coronakrise hinfort. Raum genug zum Zelebrieren fand sich in der Prager Altstadt allemal – wenn auch leider. Der sonst zur Sommerszeit gewohnte Zustrom ausländischer Besucher erschöpft sich derzeit in nur wenigen neugierigen Touristen, deren Neugierde diesen Mittsommer jedoch sehr wohl nicht nur auf die romantische Kulisse von Hradschin und Moldauufer beschränkt wurde. Auch mit interessanten Ausstellungen zur Landesgeschichte werden die Reisenden belohnt. „Zavraždena komunisty! – Ermordet von Kommunisten!“ ist überall in der Stadt auf großen Transparenten zu lesen, um der Hinrichtung der antikommunistischen Widerstandskämpferin Milada Horáková im Juni 1950 nach einem stalinistischen Schauprozeß zu gedenken. Kostenlos zugängliche Wanderausstellungen hierzu finden sich in den Prager Parks.